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11 Tipps zum Arzthaftungsrecht

Tipps zum Arzt­haftungs­recht

11 Tipps zum Arzthaftungs­recht

Wird die arzthaftungsrechtliche Auseinandersetzung mit einem fachmedizinischen Gutachten angegangen, sind die Chancen sehr hoch, sich außergerichtlich mit dem Versicherer des Arztes auf vernünftiger Basis zu einigen.

Ein Privatgutachten mag Geld kosten, bringt aber auch Geld ein.

 

Auf dieser Site finden Sie vielfältige Informationen zum Arzthaftungsrecht.

1. Behandlungsfehler

Wenn ein Patient einen Arzt oder ein Krankenhaus aufsucht, dann schließen beide einen Vertrag über die Behandlung (Behandlungsvertrag). Dieser Vertrag begründet gegenseitige Verpflichtungen.

Wenn ein Patient einen Arzt oder ein Krankenhaus aufsucht, dann schließen beide einen Vertrag über die Behandlung (Behandlungsvertrag). Dieser Vertrag begründet gegenseitige Verpflichtungen. Der Patient oder seine Krankenkasse schulden das Entgelt für die Behandlung. Der Behandler schuldet die Behandlung. Er schuldet nicht, dass der Patient wieder gesund wird. Einen solchen Erfolg kann niemand garantieren. Der Arzt schuldet aber eine Behandlung gemäß den fachärztlichen Standards. Nach ihnen muss er die Behandlung ausrichten. Ein Ausbrechen aus den Facharztstandards ohne Zustimmung des Patienten ist nicht zulässig.

Das Problem ist: Was genau versteht man unter den fachärztlichen Standards (§ 630a Abs. 2 BGB)?

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs repräsentieren die Facharztstandards den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat.

Richtlinien und Leitlinien repräsentieren die Facharztstandards nicht vollständig. Sie mögen diese oft zutreffend wiedergeben oder auch nicht, bisweilen sind sie veraltet. Die Facharztstandards sind nicht so starr wie Leitlinien, sie verändern sich, manchmal sogar schnell.

Die Facharztstandards bilden keine Linie, sie variieren von Jahr zu Jahr, von Behandlungsmethode zu Behandlungsmethode, sodass das Vorliegen eines Behandlungsfehlers genau an den zum Zeitpunkt der Fehlbehandlung geltenden Standards gemessen werden muss.

Geschuldet wird die durchschnittliche Leistung eines Facharztes, also nicht diejenige eines Spezialisten, die oberhalb der Standards liegt; die Facharztstandards dürfen aber nicht unterschritten werden, weil dann ein Behandlungsfehler vorliegt.

Maßgeblich ist also beispielsweise die von einem durchschnittlichen Orthopäden zu erwartende Leistung. Deshalb würde im Falle eines Gerichtsprozesses der Gerichtsgutachter streng aus dieser Fachdisziplin ausgewählt werden, aus der der Behandler stammt, dem ein Behandlungsfehler vorgeworfen wird. Als gerichtlicher Sachverständiger würde dann ein Orthopäde bestellt werden und kein Chirurg.

Wird ein Patient von einem Arzt aufgrund eines Behandlungsfehlers geschädigt und will Schadensersatz und Schmerzensgeld von diesem verlangen, so muss er zum einen die Behandlung wider die medizinischen Facharztstandards (Behandlungsfehler) beweisen und zusätzlich, dass sein Gesundheitszustand auf diesem Fehler beruht. Der Nachweis für die Kausalität liegt also normalerweise beim Patienten.

Hiervon gibt es aber eine Ausnahme: Ist der Fehler grob, dann kehrt sich die Beweislast um und der Arzt muss beweisen, dass die Schäden des Patienten nicht auf sein Handeln zurückzuführen sind. Das ist für den Arzt ein schweres Unterfangen. Ein grober Behandlungsfehler ist also für den Patienten in Hinsicht auf die Beweislast ausnehmend günstig. Ein grober Behandlungsfehler ist aber nur dann anzunehmen, wenn ein vollkommen unverständliches Fehlverhalten vorliegt. Auch hier gibt es eine Ausnahme, um zu Beweiserleichterungen zu gelangen: Die Gesamtschau mehrerer nicht grober („einfacher“) Behandlungsfehler kann dazu führen, dass das ärztliche Vorgehen insgesamt als grob fehlerhaft anzusehen ist (Kumulation = Häufung). Diese Gesamtbetrachtung nimmt das Gericht vor. Die Frage, ob ein einzelner grober Behandlungsfehler vorliegt oder ob mehrere nicht grobe Behandlungsfehler sich zu einem groben Fehler aufsummieren können, ist eine Rechtsfrage. Das Gericht muss sich bei der Bewertung dieser Frage auf tatsächliche Anhaltspunkte stützen, die von den Ausführungen des gerichtlichen (medizinischen) Sachverständigen gedeckt sein müssen.

Zwei Bespiele aus der Praxis sollen das illustrieren: bei einer Mandeloperation (Routineoperation!) mit nachfolgenden Blutungen gab es bei der Nachoperation schwerwiegende Komplikationen. Die Patientin erlitt aufgrund der Sauerstoffuntersättigung schwere Hirnfunktionsstörungen mit beträchtlichen neurologischen Schäden, etwa epileptischen Anfällen. Sie ist ein Schwerstpflegefall.

Bei der Nachoperation wurde eine vollkommen unzureichende Sauerstoffsättigung festgestellt. Der Anästhesist tauschte den Tubus aber erst nach 25 Minuten gegen einen größeren; eine Bronchoskopie erfolgte erst nach 45 Minuten. In der Gesamtschau bewertete der Bundesgerichtshof diese Fehler als grob. Der Bundesgerichtshof sah es als elementare medizinische Grundregel an, dass ein Anästhesist bei jeder seiner Handlungen sicherzustellen hat, dass das Sauerstoffangebot für den Patienten ausreichend ist, da die oberste Richtschnur bei Durchführung einer Anästhesie immer die optimale Sauerstoffversorgung des Patienten ist.

Eine über mehrere Stunden dauernde Geburtsleitung bei einer Zwillingsschwangerschaft hat der Bundesgerichtshof in der Gesamtschau der Behandlungsfehler diese gleichfalls für grob fehlerhaft gehalten, weil die Hebamme nach vorzeitigem Einsetzen der Wehen den behandelnden Arzt 30 Minuten zu spät herbeigerufen hat. Der Arzt hat dann das CTG (Herztonwehenschreiber) keiner Prüfung unterzogen und die Schnittentbindung (Sectio) weitere 25 Minuten verspätet eingeleitet. Einer der Zwillinge ist tot geboren worden; der andere hat schwerwiegendste und dauerhafte Beeinträchtigungen (Schwerstpflegefall). Das Kind leidet unter erheblichen Dauerschäden, insbesondere spastischer Tetraplegie (Lähmung aller vier Extremitäten), zentraler Hypotonie (Schwächung der Muskeln) sowie einer Optikusatrophie (Beeinträchtigung des Sehnervs) mit wohl weitgehendem Visusverlust (Verlust der Sehfähigkeit).

Als Medizinrechtler ist man fassungslos bei einer solchen Anhäufung schwerster Fehler („Ärztepfusch“). Erklärbar ist das eigentlich nicht; es lässt einen ratlos zurück.

Für den Tod des Kindes erhalten Eltern seit dem 22.07.2017 ein Angehörigenschmerzensgeld. Das überlebende Kind ist ein Schwerstpflegefall. Für die Tatsache, dass die Eltern jeden Tag mit diesem Schicksal belastet werden, gibt es keinen immateriellen Ersatz (lediglich materiellen Ersatz). Ein Angehörigenschmerzensgeld sollte auch bei Verletzungen mit schweren Dauerfolgen zugesprochen werden, weil gerade die psychischen Belastungen der Angehörigen im Falle der dauerhaften Pflegebedürftigkeit des Opfers eines Verkehrsunfalls oder Behandlungsfehlers massiv sein können.

2. Aufklärung

Wie umfangreich muss ein Arzt Patienten aufklären und wann liegt ein Aufklärungsmangel vor? Die Entscheidung eines Patienten für oder wider eine ärztlichen Operation ist für ihn ungemein schwer, manchmal lebensrettend, bisweilen mit dem Risiko des Todes behaftet.

Die Entscheidung eines Patienten für oder wider eine ärztlichen Operation ist für ihn ungemein schwer, manchmal lebensrettend, bisweilen mit dem Risiko des Todes behaftet.

Die Aufklärung ist (§ 630e BGB) deshalb eine der zentralen ärztlichen Pflichten.

Die ordnungsgemäße Aufklärung muss nicht der Patient, sondern der Arzt beweisen.

Darüber, ob und welche Risiken ein Patient in Kauf nimmt, darf er selbst entscheiden (Selbstbestimmungsrecht). Nur wenn er sich (nach Aufklärung des Arztes) für eine ärztliche Maßnahme entscheidet, ist die Behandlung des Arztes überhaupt von der Einwilligung des Patienten gedeckt. Ansonsten ist sie rechtswidrig und der Patient kann von Arzt oder Krankenhaus Schmerzensgeld und Schadensersatz (Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden) verlangen.

Die Aufklärung muss mündlich in einem persönlichen Gespräch erfolgen, nur in ganz einfachen Fällen ist ein Aufklärungsgespräch auch per Telefongespräch möglich. Der Arzt muss dem Patienten die Möglichkeit geben, alle Fragen stellen zu können, die diesem auf dem Herzen liegen.

Aufklärungsbögen, die vom Patienten unterschrieben werden, sind nicht der Beweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung. Die dort eingetragenen Begriffe oder markierten Stellen sind Nachweise, dass zum einen eine Aufklärung überhaupt stattgefunden hat (sonst wäre der Bogen nicht unterschrieben worden), zum anderen sind sie im Guten wie im Schlechten Hinweise darauf, dass über Risiken gesprochen oder eben nicht gesprochen worden ist.

Inhaltlich muss die Aufklärung dem Patienten (insbesondere vor operativen Eingriffen), Dringlichkeit, Wesen, Trageweite, Bedeutung und Risiken der Behandlung verständlich und ausführlich (aber nicht erschöpfend) vor Augen führen. Dem Patienten muss auch dargelegt werden, was passiert, wenn er die Behandlung nicht vornehmen lässt.

Ganz wichtig: Stehen als Therapie mehrere medizinisch gleichwertige Behandlungsalternativen zur Verfügung, die mit unterschiedlichen Risiken behaftet sind oder zu unterschiedlichen Belastungen führen, muss der Arzt darüber aufklären, damit der Patient sich entscheiden kann.

Der Arzt darf medizinische Eingriffe nicht verharmlosen; bei Schönheitsoperationen muss er schonungslos aufklären.

Da der Patient über den Inhalt des Aufklärungsgesprächs genügend nachdenken und das Für und Wider abwägen muss (Bedenkzeit), ist ein Aufklärungsgespräch am Vorabend der Operation in der Regel zu spät, allenfalls bei harmlosen Eingriffen zulässig.

Die Aufklärungspflicht des Arztes ist Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts des Patienten. Über sein eigenes Wohl, auch in gesundheitlicher Hinsicht als Patient, bestimmt noch immer der Mensch selbst.

Bei unumkehrbaren Eingriffen ist dem Patienten das Selbstbestimmungsrecht für die Zukunft genommen. Er kann dann nur noch zwischen ganz bescheidenen Alternativen wählen. Nicht nur muss er dann Lebensbeeinträchtigungen hinnehmen; es kann sein, dass er weiß, dass solche für immer verbleiben, weil Dauerschäden eingetreten sind oder sich sogar verstärken, weil Zukunftsschäden eintreten werden.

Ein Beispiel aus der Praxis, bei dem das Oberlandesgericht Köln über die Aufklärung und Durchführung einer Rückenoperation zu entscheiden hatte, soll das verdeutlichen. Es handelte sich um eine Versteifungsoperation, bei der mindestens zwei oder aber auch mehrere Wirbel mit Platten und Schrauben miteinander verbunden werden, um die Wirbelsäule zu stabilisieren oder chronischen Schmerzen entgegenzuwirken. Der Nutzen dieser Operation ist umstritten. Die Urteilsgründe des OLG Köln geben die Problematik mit eindringlichen Worten wieder.

Neben der Fehllage von Schrauben (Behandlungsfehler) bejahte das Gericht auch einen Aufklärungsmangel. Es führte aus, dass die durch den Arzt erteilte Aufklärung über die Chancen und Risiken der Operation unzureichend gewesen sei, die darauf erklärte Einwilligung des Patienten in den Eingriff sei aus diesem Grunde unwirksam. Das Krankenhaus sei dem Patienten deshalb zum Schadensersatz (Verdienstausfall und Haushaltführung) verpflichtet und müsse ein angemessenes Schmerzensgeld zahlen.

Zur mangelhaften Aufklärung führte das Gericht aus: Beschränkte Erfolgsaussichten dürfen nicht verschwiegen oder verharmlost werden. Das bedeutet bei einer Rückenoperation (Wirbelsäulenoperation), dass der Komplexität und der Bedeutung der Entscheidung für den Patienten durch eine entsprechend eingehende, patientenbezogene und sorgfältige Aufklärung über die tatsächlichen Chancen der Besserung oder Heilung und über die möglichen Folgen einer Operation (das „Austauschrisiko“) Rechnung getragen werden muss.

Gerade im Fall einer Rückenoperation, bei der kein zwingender Grund für den Eingriff besteht und die Chance eines Erfolgs in erheblichem Maße ungewiss ist, und gerade im Fall eines geäußerten hohen Leidensdrucks des Patienten muss der Arzt damit rechnen, dass dem Patienten das Risiko des Fehlschlagens nicht hinreichend bewusst ist. Das Gericht stellte dazu fest: Der Sachverständige Prof. Dr. XXX hat gegenüber dem Gericht die Erfolgsaussichten der durchgeführten Operation mit „etwa 50%“ bezeichnet. Er hat ferner ausgeführt, dass die Versteifung von Wirbelkörpern zwangsläufig zur Mehrbelastung anderer Gelenke führe, was wiederum deren Verschleiß beschleunige und Folgeerkrankungen nach sich ziehen könne. Das ist in angemessener, patientenverständlicher Form deutlich anzusprechen.

Aus Sicht des Medizinrechtlers ist das eine Operation, über die man als Patient lange, lange nachdenken muss. Schon die Erfolgsquote von 50 Prozent ist sehr mäßig: Hopp oder Top. Das gilt ganz besonders, wenn man bedenkt, dass im Falle des Fehlschlagens die Verschlechterung des Zustands wahrscheinlich ist. Der entscheidende Punkt: Die Versteifung (Spondylodese = Wirbelkörperverblockung) einzelner Wirbel führt zwangsläufig zu einer Mehrbelastung der angrenzenden Wirbel und beschleunigt unabwendbar deren Verschleiß. Hier wird eine unumkehrbare Kette von Operationen und Folgeoperationen in Gang gesetzt.

Die mit eventuell mögliche Besserung („Fifty-fifty“) wird erkauft mit einer 100-Prozentigen Verschlechterung in späteren Jahren. Zu Bedenken ist auch, dass jede Folgeoperation Operationsrisiken birgt. Im Falle einer Versteifungsoperation: Verletzungen von Nerven, Schädigung des Rückenmarks, Querschnittslähmung; Lockerung, Verrutschen und der Bruch von Schrauben, Platten oder anderen implantierten Stabilisatoren, Einbrüche in benachbarte Wirbelkörper, weiterhin bestehende chronische Rückenschmerzen.

3. Ich habe den Verdacht, dass man mich falsch behandelt hat – was kann ich tun?

Der Patient, der den Verdacht hegt, falsch behandelt worden zu sein, kann – soweit er dazu gesundheitlich in der Lage ist – die Aufklärung seines Falls in Gang bringen.

Der Patient, der den Verdacht hegt, falsch behandelt worden zu sein, kann – soweit er dazu gesundheitlich in der Lage ist – die Aufklärung seines Falls in Gang bringen.

Folgende Vorarbeiten sind empfehlenswert:

1. Behandlungsdokumentation:

In jedem Fall ergibt es Sinn, die Behandlungsdokumentation anzufordern (siehe: Tipp 4 und Tipp 5). Mit diesen Unterlagen ist es auch möglich, ein privates Gutachten anfertigen zu lassen (Tipp 8) oder diese bei der Krankenkasse einzureichen, damit diese ein Gutachten des MDK einholt (Tipp 6). Man kann sie auch zusammen mit einem entsprechenden Antrag bei der Schlichtungsstelle einreichen (Tipp 7).

2. Gedächtnisprotokoll:

Sehr wichtig ist es, denn die Erinnerungen werden immer unzuverlässiger, unverzüglich ein Gedächtnisprotokoll aufzuschreiben.

Wie ist genau aufgeklärt worden?

Was hat der Arzt direkt nach der Behandlung gesagt?

Haben Pflegekräfte oder andere Mitarbeiter der Klinik die Behandlung kommentiert?

Das Protokoll sollte nicht nur die Behandlung selbst, sondern auch deren Entwicklung und Folgebehandlungen umfassen.

3. Zeugen:

Gibt es Zeugen für bestimmte Tatsachen, etwa Mitpatienten oder deren Angehörige – oder auch eigene Familienangehörige, die zu Besuch waren, sollte man diese unbedingt bitten, ihre Aussage aufzuschreiben. Bei Operationen weiss der Patient ja oft weniger als seine Angehörigen, weil er eine Operation in Vollnarkose und die Zeit danach gar nicht mitbekommt.

Sehr viel besser als bloß die Adressen zu notieren, ist es, die Zeugen aufschreiben und unterschreiben zu lassen, was sie bezeugen können. So geht nichts verloren. Außerdem hat man dann schon einmal einen Beweis sicher für das Gericht. Als geschädigter Patient muss man dem Gericht beweisen können, dass man im Recht ist.

Den höchsten Wert hat eine sogenannte Eidesstattliche Versicherung. Das ist eine besondere Beteuerung, mit der eine Person bekräftigt, dass eine bestimmte Erklärung der Wahrheit entspricht. Eine falsche Eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Der Inhalt einer solchen Versicherung muss also in jedem Fall der Wahrheit entsprechen.

Diese kann so aussehen:

In Kenntnis dessen, was eine eidesstattlichen Versicherung ist und in dem Wissen der Strafbarkeit der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung, versichere ich, Name, Anschrift, folgendes:

Hier wird dann der Sachverhalt geschildert.

Ich versichere an Eides Statt, dass ich diese Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht habe und dass alles der Wahrheit entspricht. Ich habe nichts verschwiegen. Ich habe nichts hinzugefügt. Die Strafbarkeit einer falschen Eidesstattlichen Versicherung ist mir bekannt, insbesondere die Strafandrohung gemäß § 156 StGB mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.

Es folgen dann Ort, Datum und Unterschrift (ganz wichtig).

4. Fotos:

Fotos beeindrucken nicht nur ein Gericht oder Mitarbeiter des gegnerischen Versicherers. Sie können auch im Laufe eines Gerichtsverfahrens dem gerichtlich bestellten Sachverständigen hilfreich sein, um zu bestimmten Punkten eine Aussage treffen zu können, beispielsweise Entzündungszeichen.

Sind Narben vorhanden, ist es sinnvoll diese zu fotografieren. Das Gericht wird sie sich nur anschauen, wenn sie als Foto eingereicht werden. Das Gericht wird ohne Fotos bei der Bemessung des Schmerzensgeldes auf die schriftliche Beschreibung der Narben zurückgreifen, was weit weniger Eindruck hinterlässt.

5. Schmerztagebuch:

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zählen neben den Schmerzen selbst besonders die erlittenen Lebensbeeinträchtigungen: Beeinträchtigen die Gesundheitsschäden den Alltag, die Hobbys (Reisen, Wandern, Radfahren), die Familienplanung, eine geplante Hochzeit, das Sexualleben, den Beruf, die Psyche (Verlust der Lebensfreude, Depressionen, Angst, Wesensveränderungen)?

Wichtig ist, die Beeinträchtigungen genau aufzuschreiben und dabei zu klären (deshalb ist eine Tagebuchform sinnvoll), was vorher möglich war und jetzt nicht mehr.

Ein Schmerztagebuch sollte auch die Schmerzen selbst beschreiben und inwiefern sie eine Beeinträchtigung darstellen. Dabei sind von Bedeutung: Die Dauer des Schmerzes, die Qualität des Schmerzes (zum Beispiel stechender Schmerz, bohrender Schmerz, ziehender Schmerz) und auch die Schmerzmedikamente, die zur Linderung eingenommen werden müssen. Auch hier sind Lebensbeeinträchtigungen möglich, etwa wenn ein Geschädigter so viele Schmerzmedikamente oder Opiate einnehmen muss, dass er an Leistungsfähigkeit verliert oder/und sich eine Medikamentenabhängigkeit einstellt.

6. Pflegetagebuch:

Müssen Pflegeleistungen erbracht werden, müssen diese ersetzt werden. (Leistungen der Pflegekasse oder Berufsgenossenschaft werden abgezogen).

Um die Höhe der Leistung abschätzen zu können, ist es sinnvoll, ein Pflegetagebuch zu führen, um allen notwendigen Hilfsbedarf und die Pflegemaßnahmen zu dokumentieren. Wenn auch nachts Leistungen erbracht werden müssen, muss das gleichfalls berücksichtigt werden. Auch hier ist die Tagebuchform sinnvoll. Sind bei Schwerstgeschädigten Pflegeleistungen Rund-um-die-Uhr notwendig, ist es für die Ermittlung des Pflegebedarfs unumgänglich, dass einmal oder mehrmals 24 Stunden dargestellt werden. Wichtig ist, dass ein typischer, durchschnittlicher Tages- und Nachtablauf geschildert wird.

Hilfsbedarf kann sich unter anderem ergeben durch folgende Arbeiten: Waschen, Duschen, Baden, Rasieren, Kämmen, Mundpflege, Blasenentleerung, Darmentleerung, Intimpflege, Wechseln von Inkontinenzartikeln, Ankleiden, Auskleiden, Aufstehen vom Bett, Aufstehen vom Rollstuhl, Zubettbringen, Lagerung, Gehen/ Bewegen im Haus, Stehen, Treppensteigen, Begleiten zum Arzt, mundgerechte Zubereitung des Essens.

7. Atteste der nachbehandelnden Ärzte:

Atteste von nachbehandelnden Ärzten können Ausmaß und Folgen einer Fehlbehandlung nachweisen.

Ein ganz entscheidener Punkt, der in solchen ärztlichen Bescheinigungen unbedingt behandelt werden sollte ist die Frage der Dauer- und Folgeschäden. Ein Dauerschaden ist eine Beeinträchtigung, die dauerhaft verbleibt. Ein Zukunftsschaden (Folgeschaden) ist ein Schaden, der in der Zukunft zu Beeinträchtigungen führen kann, aber momentan noch nicht vorliegt. Es ist denkbar, dass ein Dauerschaden vorliegt und zukünftig zusätzlich mit Folgeschäden zu rechnen ist. Eine ärztliche Bescheinigung sollte den Folgeschaden beschreiben und zu der Wahrscheinlichkeit dessen Eintritts eine Aussage treffen, wenn das möglich ist.

In manchen Fällen, kann es auch sinnvoll sein, Atteste der vorbehandelnden Ärzte einzuholen, etwa um den Gesundheitszustand vor der Fehlbehandlung zu belegen.

8. Erfassung des Haushaltsführungsschadens:

Beeinträchtigt der Gesundheitsschaden die Haushaltsführung, etwa: Putzen, Waschen, Bügeln, Staubsaugen, Einkaufen, Kochen, Aufräumen, Gartenarbeiten, Kinderbetreuung, etc, dann ist auch dieser Schaden ersatzfähig. Man nennt ihn Haushaltsführungsschaden. Damit man diesen Schadensposten berechnen kann, muss geklärt werden, wie groß der Haushalt ist (Anzahl der Räume, Quadratmeter, Garten etc.), wie viele Menschen (in welchem Alter) und Tiere (Haustiere) dort leben, dann muss geklärt werden, wie die Gestaltung des Haushalts vor dem Behandlungsfehler/Unfall gewesen ist: Wer hat was, mit welchem Zeitaufwand im Haushalt erledigt und wie viele Stunden kann der Geschädigte nach dem Unfall/Behandlungsfehler noch im Haushalt arbeiten.

Wenn andere seine Aufgaben übernehmen, so bleibt es doch der Schaden des Geschädigten, selbst dann, wenn die Aufgaben vom Ehepartner unentgeltlich übernommen werden.

9. Vorbereitung der Berechnung des Erwerbsschadens (Verdienstausfall):

Muss wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen die Erwerbstätigkeit eingeschränkt oder aufgegeben werden, ist dieser Schaden ersatzfähig. Man rechnet die verbleibenden Einkünfte (Rente, Sozialleistungen etc.) bis zum Erreichen des Rentenalters gegen die zu erwartenden Verdienste auf.

Für die Berechnung dieses Schadenspostens benötigt man alle Belege über das Erwerbsleben, wie etwa Lohnbescheinigungen, Krankengeldzahlungen, Leistungen vom Jobcenter, Bescheide über Erwerbsminderungsrente etc.

Wenn aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beruf gänzlich aufgegeben werden muss, was leider nicht selten der Fall ist, ist eine Stellungnahme des Arbeitgebers zum weiteren Verlauf der Erwerbsbiographie sehr hilfreich: Aufstiegschancen, Stundenerhöhungen, Gehaltserhöhungen etc.

War man zum Zeitpunkt der Fehlbehandlung in einem Probearbeitsverhältnis (Probezeit) ist eine Stellungnahme des Arbeitgebers nützlich, ob eine Übernahme erfolgt wäre.

10. Belege der vermehrten Bedürfnisse:

Nach einer schwerwiegenden Fehlbehandlung (natürlich auch nach einem Verkehrsunfall) sind unbedingt alle Belege zu sammeln, die mit dem Personenschaden in Zusammenhang stehen. Alle Mehrausgaben (sie heißen vermehrte Bedürfnisse) können später gegen den Schädiger geltend gemacht werden, beispielsweise Kosten für: einen notwendigen Umzug in eine ebenerdige Wohnung, Umbaukosten zur behindertengerechten Wohnung, Kosten für einen Treppenlift, spezielle Heilbehandlungskosten (Physiotherapie) usw.

4. Muss mir der Arzt oder das Krankenhaus meine Behandlungsunterlagen herausgeben?

Ja, und zwar postwendend! Das Bundesverfassungsgericht hat zu der Thematik ausgeführt, dass das Informationsinteresse des Patienten an ärztlichen Krankenunterlagen erhebliches Gewicht habe, weil diese mit ihren Angaben über Anamnese, Diagnose und Therapie den Patienten unmittelbar in seiner Privatsphäre beträfen.

Deshalb und wegen der erheblichen Bedeutung der in solchen Unterlagen enthaltenen Informationen für selbstbestimmte Entscheidungen des Patienten hat dieser generell ein geschütztes Interesse daran, zu erfahren, wie mit seiner Gesundheit umgegangen wurde, welche Daten sich dabei ergeben haben und wie man die weitere Entwicklung einschätzt.

  • 630g BGB regelt das Recht auf Einsichtnahme in die Patientenakte. Danach kann der Patient gegen Kostenerstattung (Porto- und Kopierkosten, üblicherweise nicht mehr als 0,50 Euro pro Kopie) unverzüglich Einsicht in die vollständige Patientenakte nehmen; er kann auch eine elektronische Abschrift anfordern.

    Das Schreiben (per Einschreiben) an Arzt oder Krankenhaus kann knapp gehalten werden:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    ich war bei Ihnen vom (…) bis zum (…) in Behandlung. Bitte übersenden Sie mir unverzüglich die vollständigen Behandlungsunterlagen einschließlich des bildgebenden Materials (oder: eine vollständige elektronische Abschrift meiner Patientenakte). Die üblichen Kosten dafür werde ich übernehmen. Ich erwarte die Zusendung innerhalb von zwei Wochen.

    Mit freundlichen Grüßen

Im Falle des Todes des Patienten steht das Recht auf Einsichtnahme den Erben zu, soweit Schadensersatz geltend gemacht wird. Werden immaterielle Interessen geltend gemacht, auch den Angehörigen. Diese Rechte sind lediglich dann ausgeschlossen, wenn der ausdrückliche oder der mutmaßliche Wille des Patienten entgegensteht. Einen mutmaßlichen Willen muss der Arzt darlegen.

Verweigert werden darf die Einsichtnahme nur in absoluten Ausnahmefällen, etwa bei therapeutischen Gründen oder Rechten Dritter. Das ist sehr selten der Fall.

Als Faustregel unserer langjährigen Erfahrung können wir sagen: Es gibt mittlerweile normalerweise sehr wenig Probleme, die Behandlungsdokumentation zu erhalten. Dauert es sehr lange, läuft es stockend oder Scheibchenweise (Salamitaktik), dann ist an den Behandlungsfehlervorwürfen immer etwas dran. Ganz besonders dann, wenn der Arzt behauptet, die Behandlungsdokumentation könne nur von einem Rechtsanwalt angefordert werden. Das ist natürlich Quatsch und auch verdächtig.

Umgekehrt kann man natürlich nicht sagen, dass eine sehr schnelle Herausgabe der Dokumentation ein Hinweis darauf ist, dass kein Behandlungsfehler vorliegt.

Dass sich ein Patient, der den Verdacht auf einen Behandlungsfehler hegt, sich seine Patientenakte beschafft, ist nur der erste Schritt. Die Eintragungen in der Patientenakte müssen medizinisch und juristisch bewertet werden, ein dort vorhandener Aufklärungsbogen muss überprüft werden.

Unterstützung bei diesem wichtigen Punkt gibt die Patientenberatung (Tipp 5), die Krankenkasse/ MDK (Tipp 6) und die Schlichtungsstelle (Tipp 7), die sogar ein rechtsförmliches Verfahren abwickelt.

5. Ist es sinnvoll sich bei der Patientenberatung beraten zu lassen?

Das lohnt sich durchaus für eine fachkundige Ersteinschätzung. Die unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) gGmbH bietet unter einer kostenfreien Telefonnummer kostenlose sofortige telefonische Beratung an.

Das lohnt sich durchaus für eine fachkundige Ersteinschätzung. Die unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) gGmbH bietet unter einer kostenfreien Telefonnummer kostenlose sofortige telefonische Beratung an. Nach Voranmeldung ist auch eine persönliche Patientenberatung möglich, und zwar Rund um die Gesundheit, also nicht nur zum Arzthaftungsrecht, sondern auch zu Leistungen von Krankenkassen (Sozialrecht) oder Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL). Auch die persönliche Beratung ist kostenlos.

Die Satzung der gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) bestimmt als Zweck der Gesellschaft hinsichtlich Patienten unter anderem: kostenlose Bereitstellung von Wissensmanagment für Beratungsstellen, wie zum Beispiel die Aufklärung und Information zur Entstehung und Vermeidung von Krankheiten, Darstellung von Therapiemöglichkeiten und deren Nutzen und Risiken, Informationen zu allgemeinen und individuellen Patientenrechten sowie Nutzen und Risiken von Selbstzahlerangeboten.

Sie berät bundesweit einige tausend Patienten im Jahr bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler. Sie zeigt Ratsuchenden Wege auf, ihre Ansprüche weiter zu verfolgen. Sie kann auch helfen, die Behandlungsunterlagen anzufordern (Tipp 4) oder eine MDK-Begutachtung in die Wege zu leiten (Tipp 5).

Die UPD hält auf ihrer Homepage auch in das Thema einführende Texte bereit, etwa zum Behandlungsvertrag, sowie zur Feststellung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen.

6. Ergibt es Sinn, den MDK zu beauftragen ein Gutachten einzuholen?

Gemäß § 66 SGB V sollen die Krankenkassen ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aus Behandlungen entgegen den Facharztstandards unterstützen, beispielsweise durch Einholung eines MDK-Gutachtens.

Gemäß § 66 SGB V sollen die Krankenkassen ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aus Behandlungen entgegen den Facharztstandards unterstützen, beispielsweise durch Einholung eines MDK-Gutachtens.

Es kann durchaus Sinn ergeben, zur ersten Einschätzung, ob ein Behandlungsfehler vorliegen kann, über die Krankenkasse den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) einzuschalten. Dies auch deshalb, weil diese Vorgehensweise dem Patienten keine Kosten verursacht.

Der MDK ist der Beratungs- und Begutachtungsdienst der Gesetzlichen Krankenkassen. Er erstellt unter anderem auch Gutachten nach Aktenlage für die Krankenkassen wegen des Verdachts auf einen Behandlungsfehler, damit die Krankenkasse in den Regress gehen kann, das heißt: sie holt sich die von ihr gezahlten Behandlungskosten von Arzt oder Krankenkasse zurück. Für die Patienten direkt wird der MDK nicht tätig. Patienten erhalten aber eine Kopie des Gutachtens von ihrer Krankenkasse und dürfen es zu eigenen Zwecken, auch zur Rechtsverfolgung, verwenden.

Patienten können den MDK nicht beauftragen. Das Recht hat ausschließlich die Krankenkasse. Patienten können sich telefonisch oder persönlich an die Krankenkasse wenden. Die Krankenkasse soll ihnen helfen und unterstützend tätig werden. Eine der Unterstützungsleistungen ist die Beauftragung des MDK. Der Sachverhalt wird bei der Krankenkasse von der Regressabteilung bearbeitet. Mit der Krankenkasse zusammen wird erarbeitet, gegen wen sich genau der Behandlungsfehlervorwurf richtet und wie er konkret lautet. Entweder sind die Unterlagen schon zur Hand oder sie müssen noch angefordert werden. Die Krankenkasse wird die Unterlagen zur weiteren Prüfung dem MDK weiterleiten. Dort wird dann vorgeprüft, ob der eingetretene Gesundheitsschaden durch eine Komplikation (schicksalhaft) oder durch eine Behandlung entgegen den Facharztstandards (Behandlungsfehler) entstanden ist.

Liegt ein begründeter Verdacht vor, dann erstellt der MDK ein Gutachten nach Aktenlage. Diese Gutachten fallen unterschiedlich aus. Manche sind lediglich kurze Stellungnahmen, andere sind wissenschaftlich begründete Gutachten.

Uns ist es schon durchaus gelungen, mit fundierten MDK-Gutachten Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche gegen die hinter Ärzten und Krankenhäuser stehenden Haftpflichtversicherer durchzusetzen.

Liegt nach Auffassung des MDK kein Behandlungsfehler vor, dann erhält der Patient eine Stellungnahme, die diese Auffassung begründet, einem Gutachten entsprechend.

Dem MDK wird manchmal vorgeworfen, dass seine Gutachten einseitig zugunsten der Krankenkasse erstellt würden, damit sich die Kassen Geld von Ärzten und Krankenhäusern wiederholen könne. Aus unserer Erfahrung können wir das nicht bestätigen, hier ist eher das Gegenteil der Fall. Nach unserer Ansicht bestätigt der MDK gerade nicht alle Fehler. In nicht wenigen Fällen haben wir nach erfolglosem MDK-Gutachten die Schlichtungsstelle (siehe Tipp 7) mit Erfolg angerufen oder haben ein Privatgutachten (siehe Tipp 8) eingeholt, das dann einen Behandlungsfehler bejaht hat.

Der MDK führt auch Statistiken. Danach wird (relativ konstant durch die Jahre) in über 75 Prozent der Begutachtungen kein Behandlungsfehler festgestellt.

Nach der Statistik des MDK betreffen die dort eingereichten Fälle zu einem Viertel die Orthopädie und zu einem Viertel die Chirurgie. Die andere Hälfte teilen sich alle anderen Disziplinen.

Der MDK begutachtet auch bei der Schädigung durch ein Medizinprodukt (Medizinproduktehaftung) und durch ein Arzneimittel (Arzneimittelhaftung).

In dem „Leitfaden für die Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen/Pflegekassen und MDK bei drittverursachten Gesundheitsschäden, insbesondere bei Behandlungsfehlern und Pflegefehlern“ heißt es: „Die Versicherten sind auf die Möglichkeit der Einschaltung der Schlichtungsstellen/Gutachterkommissionen hinzuweisen.“ Ob das Sinn ergibt, wird in der nächsten Frage (Tipp 7) beantwortet.

7. Ist es sinnvoll, eine Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen einzuschalten?

Ja, das kann sinnvoll sein. Insbesondere, weil die Inanspruchnahme der Schlichtungsstelle für den Patienten kostenlos ist. Ein ganz entscheidender Punkt ist: Während des Schlichtungsverfahrens ist die Verjährung gehemmt, so dass Ansprüche nicht verloren gehen können.

Ja, das kann sinnvoll sein. Insbesondere, weil die Inanspruchnahme der Schlichtungsstelle für den Patienten kostenlos ist. Ein ganz entscheidender Punkt ist: Während des Schlichtungsverfahrens ist die Verjährung gehemmt, so dass Ansprüche nicht verloren gehen können. Auch ein Pluspunkt der Schlichtungsstelle: Die durchschnittliche Verfahrensdauer ist mit 15 Monaten sehr viel kürzer als bei einem Gerichtsverfahren. Ein weiterer positiver Aspekt ist der interdisziplinäre Ansatz: Die Schlichtungsstelle arbeitet mit Teams von Juristen und Ärzten an dem Fall.

90 Prozent der Schlichtungssprüche werden von den Berufshaftpflichtversicherern akzeptiert. Schlussendlich hindert ein Schlichtungsverfahren nicht, später doch noch ein Gericht anzurufen.

Schlichtungsstellen für Arzthaftpflichtfragen sind bei den jeweiligen Ärztekammern  der Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen angesiedelt.

Auch Baden-Württemberg, Nordwürttemberg, Südwürttemberg, Nordbaden, Südbaden, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Nordrhein, Westfalen-Lippe, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen haben Schlichtungsstellen/ Gutachterstellen/ Gutachterkommissionen.

Ein Schlichtungsverfahren ist kein Gerichtsverfahren, in das man die gegnerische Partei hineinzwingen kann. Die Teilnahme am Schlichtungsverfahren ist freiwillig. Wenn die Gegenseite nicht mit einem Schlichtungsverfahren einverstanden ist, findet es nicht statt. Die Zustimmung kann auch jederzeit zurückgenommen werden, dann wird es abgebrochen.

Darüber hinaus wird die Schlichtungsstelle nicht tätig, wenn ein Strafverfahren anhängig ist, wenn schon eine zivilrechtliche Klage eingereicht oder sogar schon ein Urteil gesprochen worden ist. Die Schlichtungsstelle ist keine Berufungsinstanz.

Wird neben einem Behandlungsfehler ein Mangel in der ärztlichen Aufklärung beanstandet, kann die Schlichtungsstelle nur wenig helfen, weil es sich um ein rein schriftliches Verfahren handelt, bei dem keine Zeugen vernommen, keine Parteien angehört werden. Aufklärungsmängel können nur insoweit geprüft werden, ob die eingetretenen Risiken aufklärungspflichtig gewesen wären. Ob über diese letztendlich wirklich korrekt aufgeklärt worden ist (siehe Tipp 2), kann die Schlichtungsstelle nicht feststellen. Das kann nur ein Gericht, indem eine mündliche Verhandlung anberaumt wird.

Ansonsten ist das Schlichtungsverfahren durchaus mit einem Gerichtsverfahren vergleichbar. Die einzelnen Schritte sind ähnlich.

Der Patient (oder sein Erbe) sollte schon vor dem Schlichtungsantrag das Einverständnis der Gegenseite ausloten. Zwingend ist das nicht; es ist bloß sinnvoll.

Dann muss der Antrag gestellt werden. Diesen findet man meist auf der Homepage der Schlichtungsstelle. Den Antrag kann man online ausfüllen oder aber ausdrucken, ausfüllen und per Post an die Schlichtungsstelle schicken, am besten per Einschreiben. Das jedenfalls würden wir empfehlen. Ausgefüllt werden müssen die Patientendaten, der Absender und der oder die Gegner (Ärzte, Krankenhäuser). Auch der Behandlungsfehlervorwurf (Sachverhaltsdarstellung und Vorwurf) muss geschildert werden (siehe Tipp 1). Das ist der Hauptpunkt. Sodann müssen die behandelnden Ärzte vor und nach der Fehlbehandlung angegeben werden. Der Schlichtungsantrag muss natürlich unterschrieben werden. 

Die Schlichtungsstelle holt dann die Zustimmung des oder der Antragsgegner ein. Liegt die Zustimmung vor, untersucht die Schlichtungsstelle den Fall, indem sie die Behandlungsunterlagen insgesamt einfordert, also nicht nur die Unterlagen des Antragsgegners, sondern auch diejenigen der vor- und nachbehandelnden Ärzte.

Wenn die Unterlagen komplett vorliegen, wählt die Schlichtungsstelle einen geeigneten medizinischen Gutachter aus und erarbeitet einen Fragenkatalog (ganz so wie es ein Gericht auch handhaben würde). Der Fragenkatalog berücksichtigt auch die Stellungnahme der ärztlichen Seite zum Schlichtungsantrag und dem darin enthaltenen Behandlungsfehlervorwurf. Dieses Schriftstück bekommt der Patient natürlich von der Schlichtungsstelle in Kopie zugeschickt und kann gegebenenfalls seinerseits dazu Stellung nehmen.

Sowohl zu der Auswahl des Gutachters, als auch zu dem Fragenkatalog können also beide Parteien Stellung nehmen. Nach unserer Erfahrung zeigt sich die Schlichtungsstelle (im Gegensatz zu einem Gericht) sehr kooperativ bei der Ergänzung des Fragenkatalogs.

Sodann wird das Schlichtungsgutachten eingeholt. Sobald es vorliegt, können die Beteiligten des Schlichtungsverfahrens dazu Stellung nehmen. Gegebenfalls muss der Gutachter dann Ergänzungsfragen beantworten. 

Sodann wird das Gutachten ausgewertet, um die Haftungsfrage zu beurteilen. Ein ärztliches und ein juristisches Mitglied prüfen aus medizinischer und juristischer Sicht das externe Gutachten. Dabei berücksichtigen sie auch die Stellungnahmen der Beteiligten. 

Die Schlichtungsstelle beendet das Verfahren mit dem Schlichtungsspruch, indem der Sachverhalt zusammengefasst und die interdisziplinäre Bewertung aufgeschrieben wird. Der Schlichtungsspruch beinhaltet die Bewertung der Haftung dem Grunde nach; für die Haftung der Höhe nach ist die Schlichtungsstelle nicht zuständig. Um die eigentliche Regulierung des Schadens (Schmerzensgeld, Haushaltsführungsschaden, Verdienstausfall, vermehrte Bedürfnisse) muss sich der Patient selbst kümmern. Sinnvollerweise schaltet er einen spezialisierten Fachanwalt ein.

Nach der Beendigung des Schlichtungsverfahrens muss auf die Verjährung geachtet werden. Ist das Schlichtungsverfahren erst kurz vor Ablauf der Verjährung eingereicht worden, dann ist die eigentliche dreijährige Verjährung abgelaufen und die Verjährung ist nur noch kurze Zeit gehemmt. Das muss man im Auge behalten, weil diese Hemmung nur noch ein halbes Jahr nach Beendigung des Schlichtungsverfahrens anhält. Innerhalb dieser sechs Monate muss die Gegenseite auf die Einrede der Verjährung verzichten (Verjährungsverzicht) oder in Verhandlungen eintreten (die Kombination ist das beste Ergebnis). Geschieht beides nicht, muss innerhalb der Sechsmonatsfrist eine Klage bei Gericht eingereicht werden. Der ordentliche Rechtsweg steht auch nach einem Schlichtungsverfahren offen.

Exkurs: Es gib einen (vollkommen legalen) Notanker, falls ein Patient es nicht schafft, am Jahresende zur Hemmung der Verjährung eine Klage bei Gericht einzureichen. Er kann noch schnell einen Schlichtungsantrag stellen. Wenn sich die Gegenseite darauf einlässt, ist die Verjährung grundsätzlich gehemmt, weil während des Schlichtungsverfahrens Ansprüche nicht verjähren können.

Wenn die Gegenseite keine Einwilligung gibt, läuft die Verjährungshemmung trotzdem sechs Monate. Macht ein Patient gegen den ihn behandelnden Arzt Schadensersatzansprüche bei einer von den Ärztekammern eingerichteten Schlichtungsstelle geltend, so setzt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Eintritt der Verjährungshemmung gerade nicht voraus, dass sich der Arzt oder der hinter diesem stehende Haftpflichtversicherer auf das Schlichtungsverfahren einlässt.

Innerhalb der dadurch gewonnenen sechs Monate muss man dann aber spätestens eine Klage einreichen.

8. Lohnt es sich, ein Privatgutachten in Auftrag zu geben?

Das lohnt sich nach unserer langjährigen Erfahrung unbedingt. Diese vorgehensweise ist sozusagen der Königsweg. Ein Mediziner würde sagen: „Der Goldstandard“. Ein Privatgutachten einzuholen, um damit Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche geltend zu machen, ist tatsächlich Gold wert: Es geht schnell und die Chancen für eine außergerichtliche Einigung sind außerordentlich gut.

Das lohnt sich nach unserer langjährigen Erfahrung unbedingt. Diese vorgehensweise ist sozusagen der Königsweg. Ein Mediziner würde sagen: „Der Goldstandard“. Ein Privatgutachten einzuholen, um damit Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche geltend zu machen, ist tatsächlich Gold wert: Es geht schnell und die Chancen für eine außergerichtliche Einigung sind außerordentlich gut. Seriöse Privatgutachter oder Gutachteninstitute erstellen keine Gefälligkeitsgutachten, sondern fundierte Stellungnahmen, die von den Vertragsärzten der Berufshaftpflichtversicherer bedenkenlos nachgeprüft werden können (aus diesem Grund helfen im Arzthaftungsrecht keine Gefälligkeitsgutachten). Wenn man bedenkt, dass Gerichtsprozesse in Arzthaftpflichtfragen Jahre dauern können: Im prominenten Fall des Fußballspielers Ivan Klasnić, der aufgrund der Behandlungsfehler auf Spendernieren angewiesen ist, hat es neun Jahre gedauert, bis das Bremer Landgericht das Urteil gesprochen hat. Wir haben uns mit Vorlage eines Privatgutachtens schon innerhalb von zwei Wochen mit dem Berufshaftpflichtversicherer geeinigt.

Ein Privatgutachten muss man zwar zunächst selber bezahlen, wenn man sich aber außergerichtlich einigt, sind die Kosten wieder eingespielt.

Wenn außergerichtlich keine Einigung möglich ist, dann bleibt nur der Gang zu Gericht. Wenn der Patient den Prozess verliert, sind natürlich die Kosten für das Privatgutachten auch verloren. Ansonsten gilt: Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Kosten für ein vorprozessual eingeholtes Privatgutachten erstattungsfähig, wenn aus Gründen der Waffengleichheit (medizinisches Fachwissen!) und zur ordnungsgemäßen Prozessführung die Einholung eines solchen Gutachtens erforderlich war oder der Patient überhaupt nur mit Hilfe eines Privatgutachtens (beispielsweise Auswertung des bildgebenden Materials) seine Ansprüche darlegen kann. Der Bundesgerichtshof knüpft die Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens daran an, ob eine verständige und wirtschaftlich denkende Partei im Zeitpunkt der Einholung des Gutachtens dies als sachdienlich ansehen konnte. Es kommt also nicht darauf an, ob im Nachhinein ein privates Gutachten überflüssig gewesen wäre, weil beispielsweise später der Gerichtsgutachter die entsprechenden Fragestellungen abgearbeitet hat. Die Erstattungsfähigkeit setzt nicht einmal voraus, dass Privatgutachten die Entscheidung des Gerichts beeinflusst hat.

Ein Patient (dann Kläger genannt) kann auch im Gerichtsverfahren selbst das dort eingeholte ganz oder teilweise gegen ihn sprechende Sachverständigengutachten mit einem Privatgutachten angreifen. Wenn er das Gerichtsgutachten anders nicht zu erschüttern vermag (wie soll es in Arzthaftpflichtsachen anders gehen), dann sind auch diese Kosten zu erstatten.

Der Bundesgerichtshof hat sich mit dieser Problematik wiederholt beschäftigt und bestimmt: Das Gericht hat in Arzthaftungsprozessen die Pflicht, sich mit einem von einer Partei (die Beklagten können also auch ein Gutachten vorlegen) vorgelegten Gutachten auseinanderzusetzen und auf eine weitere Aufklärung hinzuwirken, wenn sich Widersprüche zum Gerichtsgutachten ergeben. Das Gericht muss in der mündlichen Verhandlung von sich aus den Sachverständigen zu den Ausführungen des Privatgutachters befragen, soweit sich die Gutachten widersprechen.

Der Bundesgerichtshof gibt den Richtern hierbei besondere Sorgfalt auf: Ein Gericht darf bei sich widersprechenden Gutachten keinesfalls den Streit der Sachverständigen dadurch entscheiden, dass es ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt. Selbst dann, wenn die Befragung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung detailliert gewesen sein mag oder der gerichtliche Sachverständige in einem Ergänzungsgutachten gegen den privaten Sachverständigen ausführlich Stellung genommen hat, muss das Gericht in den Entscheidungsgründen des Urteils hinsichtlich der medizinischen Fragen ausführlich begründen, warum es dem einen Gutachten gegenüber dem anderen Gutachten den Vorrang gegeben hat. Der bloße Verweis auf „vollständige, widerspruchsfreie und überzeugende Ausführungen“ des einen Sachverständigen gegenüber dem anderen, stellt keine Begründung dar, wie der Bundesgerichtshof zu Recht rügt.

Es ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht verspätet, im Berufungsverfahren – also in der zweiten Instanz – noch ein Privatgutachten einzuholen, um das erstinstanzliche Urteil anzugreifen, das auf dem gerichtlichen Sachverständigengutachten beruht, das in der ersten Instanz eingeholt worden ist. Oft ist das die einzige Chance, einem Berufungsverfahren zum Sieg zu verhelfen, indem ergänzende Stellungnahmen oder ein Obergutachten eingeholt werden. Auch in diesem Fall müssen die Kosten für ein Privatgutachten erstattet werden, wenn der Patient das Berufungsverfahren gewinnt.

In der Revision – also in der dritten Instanz – kann man kein neues Gutachten mehr einbringen, weil im Revisionsverfahren nicht mehr mit und um Tatsachen gestritten wird, sondern ausschließlich um Rechtsfragen. Beispielsweise darum, ob die Begründung eines Gerichts zu der Frage, warum es dem einen Gutachten gefolgt ist und dem anderen nicht, ausreichend und nachvollziehbar begründet worden ist oder nicht.

9. Ergibt es Sinn, einen Arzt oder Ärzte eines Krankenhauses anzuzeigen?

Aus unserer Sicht spricht bei einem vermuteten Behandlungsfehler sehr viel gegen eine Strafanzeige, nämlich mindestens die folgenden fünf Punkte:

Aus unserer Sicht spricht bei einem vermuteten Behandlungsfehler sehr viel gegen eine Strafanzeige, nämlich mindestens die folgenden fünf Punkte:

1. Die Statistik

Die statistische Verurteilungsquote von Ärzten ist außerordentlich gering. Sie bewegt sich zwischen zwei und vier Prozent. Gefühlt ist sie noch niedriger. Sollte einmal ein Arzt wegen fahrlässiger Körperverletzung oder unterlassener Hilfeleistung verurteilt werden, fällt das Strafmaß zudem meist gering aus.

Dieser generelle Unwillen zur Verfolgung von Straftaten erschreckt. Zwei Beispiele: In einem Fall waren die Ärzte in der Strafanzeige namentlich benannt. Viele Monate lang ermittelte die Staatsanwaltschaft trotz Protestes gegen unbekannt. In einem anderen Fall sind drei Ärzte beschuldigt worden, nicht rechtzeitig Notfallmaßnahmen eingeleitet zu haben. Zwei Ärzte verweigern die Aussage (das dürfen sie), einer der Ärzte lässt sich schriftlich ein, er sei es nicht gewesen, sondern die anderen beiden! Da denkt man als Jurist sofort: Das höre ich mir doch mal an, doch der Zeuge wird nicht vernommen.

Sollte es dann wider Erwarten zu einer Anklage kommen, darf der Strafrichter das Verfahren einstellen wegen „geringer Schuld“ oder „mangelndem öffentlichen Interesse“.

Ein weiteres Problem: Wenn man nach abgeschlossenem (eingestellten) Strafverfahren zivilrechtliche Ansprüche anmeldet, dann bekommt man zu hören, das Strafverfahren sei eingestellt worden, basta. Das ist haarsträubender Unsinn, weil das Zivilrecht anders funktioniert.

2. Die unterschiedlichen Haftungsmaßstäbe

Das Zivilrecht, also der Rechtsbereich, in dem man sich als Patientenanwalt bewegt, wenn man Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche für Mandanten geltend macht, hat gänzlich andere Verfahrenregeln und legt gänzlich andere Maßstäbe an die Haftung an, als ein Strafverfahren. In einem Strafverfahren wird aus rechtsstaatlichen Prinzipien immer davon ausgegangen, dass der Arzt unschuldig ist. Selbst die Staatsanwaltschaft ist nach der Strafprozessordnung gehalten, zugunsten des Angeklagten zu ermitteln. Bei Ärzten scheint sie das ernst zu nehmen.

Der Knackpunkt ist: Für eine strafrechtliche Verurteilung muss dem Arzt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass seine Pflichtverletzung für den Gesundheitsschaden oder Tod ursächlich gewesen ist.

Im Zivilverfahren muss der Patient, der gegen den Arzt antritt, zwar auch den kausalen Zusammenhang (Kausalität) zwischen dem Verstoß gegen die Facharztstandards und dem Gesundheitsschaden beweisen. Das Beweismaß ist allerdings im Arzthaftungsrecht herabgesetzt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit ausreichend. Das heißt: ein für einen vernünftigen, die Lebensverhältnisse überschauenden Menschen so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.

3. Regulierungsvereitelung

Normalerweise werden die Verhandlungen über zivilrechtlichen Schadensersatz nach dem ersten Anspruchsschreiben mit dem Berufshaftpflichtversicherer des Arztes oder Krankenhauses geführt. Emotionen werden klein gehalten, die Verhandlungen werden professionell geführt. Sehr oft ist ein außergerichtlicher Vergleich möglich. Ist Strafanzeige gestellt, ist das Klima hinsichtlich Vergleichsverhandlungen vergiftet, nicht nur emotional. Der Gegner wird sich, wenn überhaupt, nur spärlich einlassen. Er muss ja befürchten, dass seine Äußerungen in das Strafverfahren eingebracht und dort verwertet werden. Auch mit Zahlungen muss er vorsichtig sein, damit diese nicht als Eingeständnis von Schuld gewertet werden.

Bis zum Abschluss des Strafverfahrens ist eine Einigung meist vereitelt. Damit kommen wir zum nächsten Problem. Das Strafverfahren dauert und dauert, ist zäh. Der Zeitfaktor ist nicht nur zermürbend, er kann auch schwerwiegendste juristische Probleme nach sich ziehen, nämlich den Eintritt der Verjährung.

4. Die Verjährungsproblematik

Die Verjährung führt dazu, dass Ansprüche nicht mehr mit Erfolg durchgesetzt werden können. Sie beginnt am Schluss desjenigen Jahres zu laufen, in dem der Geschädigte oder dessen Angehörige Kenntnis des Behandlungsfehlers erlangt haben, hierbei reicht es aus, wenn diese Kenntnis im Großen und Ganzen vorliegt.

Wenn nun in einer Strafanzeige detailliert die Behandlungsfehlervorwürfe geschildert werden, reicht das aus, um die Verjährung in Gang zu setzen. Also: Im Jahr 2018, am 20. April verstirbt ein Patient im Krankenhaus. Die Angehörigen stellen am 22. April Strafanzeige und führen aus, dass der Verstorbene behandlungsfehlerhaft nicht auf die Intensivstation verlegt worden ist. Sein gesundheitlicher Zustand hätte es gemäß den Facharztstandards geboten, als Notfall intensiv überwacht zu werden, was auf der normalen Station nicht möglich gewesen sei. Diese Kenntnis reicht im Großen und Ganzen aus, damit die dreijährige Verjährung in Gang gesetzt wird. Sie schlägt dann auf das Jahresende und zählt ab da: 2019 (I), 2020 (II) und 2021 (III). Wenn die Verjährung bis Silvester 2021 nicht gehemmt wird, sind jegliche Ansprüche verloren.

Hemmen kann man die Verjährung, in dem man eine Klage beim Zivilgericht anhängig macht.

Wenn man parallel zum Strafverfahren eine zivilrechtliche Klage einreicht, kann das Zivilgericht das Verfahren für mindestens ein Jahr aussetzen, um das Ergebnis des Strafverfahrens abzuwarten. Immerhin droht dann keine Verjährung mehr.

5. Das Gutachten

Wenn die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnimmt, werden die Behandlungsunterlagen samt bildgebendem Material beschlagnahmt und sodann ein Gutachten von einem Rechtsmediziner gefertigt. Das birgt Probleme. Die drei hauptsächlichen sind:

5.1. Nach unserer Erfahrung sind diese Gutachten nicht so sorgfältig ausgearbeitet, wie diejenigen, die in einem Zivilverfahren eingeholt werden.

5.2. Die Gutachten bewerten den Sachverhalt nach strafrechtlichen Maßstäben und nicht nach zivilrechtlichen (siehe oben unter 9.2).

5.3. Ein medizinisches Sachverständigengutachten muss im Zivilrecht von einem Gutachter erstellt werden, welcher der Fachdisziplin des verklagten Arztes angehört. Verklagt man einen Urologen, so muss auch der vom Gericht bestellte Gutachter Facharzt für Urologie sein. Der Rechtsmediziner ist aber Rechtsmediziner, hat also ganz andere Aufgaben, als ein Urologe, beispielsweise stellt er die Todesursache, die Todesart und den Todeszeitpunkt fest. Das hat mit der Urologie, die sich mit den harnbildenden und harnableitenden Organen beschäftigt nichts zu tun. Der Rechtsmediziner mag Grundkenntnisse in vielen medizinischen Fachgebieten haben; es geht aber im Zivilrecht um die Einhaltung von Facharztstandards der jeweiligen Disziplin, also gerade nicht um Grundkenntnisse.

Fällt das Gutachten negativ aus, ist es in der Welt. Der Arzt wird sich darauf berufen.

Wenn man klagt, wird mit etwas Glück ein anderer medizinischer Sachverständiger (ein Urologe) bestellt, der dann ein unabhängiges Gutachten erstellt. Mit ein wenig Pech verwertet das Gericht das Gutachten aus dem Strafverfahren im Zivilverfahren. Dann geht der Prozess verloren.

10. Kann ich mich bei der Ärztekammer beschweren?

Das kommt darauf an. Bei ganz schwerwiegenden, also sehr groben Behandlungsfehlern kann das Sinn ergeben, ansonsten nicht. Die Ärztekammern verweisen darauf, dass Streitigkeiten zwischen Arzt und Patient Beschwerden hinsichtlich eines Behandlungsfehlers nicht geprüft werden. Sie verweisen für den Fall, dass ein Behandlungsfehler vermutet wird, auf die Schlichtungsstelle (siehe: Tipp 7).

Das kommt darauf an. Bei ganz schwerwiegenden, also sehr groben Behandlungsfehlern kann das Sinn ergeben, ansonsten nicht. Die Ärztekammern verweisen darauf, dass Streitigkeiten zwischen Arzt und Patient Beschwerden hinsichtlich eines Behandlungsfehlers nicht geprüft werden. Sie verweisen für den Fall, dass ein Behandlungsfehler vermutet wird, auf die Schlichtungsstelle (siehe: Tipp 7).

Grundlage für eine Beschwerde bei der Ärztekammer ist die Überprüfung einer privatärztlichen Rechnung oder das ärztliche Berufsrecht. Ein Behandlungsfehler muss also nicht nur den Patienten schädigen, sondern zugleich berufsrechtlich relevant sein.

Das ärztliche Berufsrecht regelt, wer und wie er Arzt werden darf (Approbation = Zulassung zur Ausübung des ärztlichen Berufs), welche Rechte und Pflichten ein Arzt hat und welche Folgen ein Verstoß gegen diese Verpflichtungen nach sich ziehen kann.

Ein Arzt muss sich weiterbilden, er muss Notfalldienste leisten und er muss seine Behandlungen dokumentieren. Die wichtigste Verpflichtung ist die ärztliche Schweigepflicht.

In den Berufsordnungen findet sich die Verpflichtung zur Aufklärung des Patienten (siehe Tipp 2) und auch der Passus, dass die gewissenhafte Ausübung des ärztlichen Berufs es erfordere, dass der Arzt die notwendige Qualifikation mitbringt und die anerkannten Standards der medizinischen Erkenntnisse beachtet.

Die Landesärztekammern haben bei leichteren Verstößen gegen die Berufspflichten die Möglichkeit, gegen Ärzte vorzugehen. In Betracht kommen: (1) Die Mahnung durch den Präsidenten, (2) die Rüge durch den Kammervorstand und eine (3) Rüge nebst Ordnungsgeld.

Bei schwereren Verletzungen der Berufspflichten wird ein berufsrechtliches Verfahren eingeleitet. Das Berufsgericht besteht aus einem vorsitzenden Richter und zwei ärztlichen Beisitzern. Das Gericht kann (abgestuft) folgende Strafen verhängen: (1) Warnung, (2) Verweis, (3) Entziehung des passiven Berufswahlrechts (Kammerwahl), (4) Geldbuße, (5) die Anordnung des Ruhens der Approbation und schließlich als höchstmögliche Sanktion die (6) Feststellung der Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs (Entziehung der Approbation).

Statistisch wird aber nur in einem geringen Teil eines berufsrechtlichen Verfahrens diese schwerwiegende Sanktion verhängt.

Einige Beispiele aus der Rechtsprechung sollen diesen Tipp illustrieren:

Einem Arzt, der des 272-fachen Betrugs überführt worden ist, indem er mit „Beharrlichkeit und Stetigkeit“ über mehr als zwei Jahre hinweg Gebührenziffern der Gebührenordnung der Ärzte (GOÄ) mit einem zu hohen Gebührensatz abgerechnet hatte, ist die Approbation wegen Unwürdigkeit entzogen worden.

Einen Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 10.000,- Euro handelte sich ein Arzt ein, der eine grob fehlerhafte Fettabsaugung mit unzureichender und fehlerhafter Dokumentation durchgeführt hatte. Die Aufklärung war ungenügend. Zudem war die Zeitspanne zwischen Aufklärung und Operation unzureichend für den kosmetisch-chirurgischen Eingriff. Die Absaugung erfolgte trotz ungenügender Erfahrung des Arztes und dann auch noch durch unqualifiziertes Personal, sodann mit ungenügender und grob fehlerhafter Nachsorge.

Anmerkung: Aus Sicht des Medizinrechtlers geht es kaum schlimmer, zur Erläuterung des Berufsgerichts zur Aufklärungsrüge ist Folgendes zu bemerken: eine Aufklärung muss rechtzeitig erfolgen, siehe Tipp 2). Gerade bei Schönheitsoperationen, die medizinisch nicht notwendig sind, muss nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Aufklärung schonungslos erfolgen.

12.000,- Euro Buße und einen Verweis fing sich eine Ärztin ein, die Methoden anwandte, die in der Diagnostik und in der Therapie nicht den medizinischen Standards entsprachen und auch nicht als ärztlich vertretbare Außenseitermethoden anzusehen waren. Sie behandelte für jeweils 1000,- Euro Pauschalhonorar mindestens drei Patienten, die an fortgeschrittenem Krebs erkrankt waren mit Stromstößen, um sie zu entgiften, was misslang.

Zum Ruhen (bis zum Abschluss des Strafverfahrens) gebracht worden ist die Approbation eines Arztes der 28 austherapierte Krebspatienten (Erkrankte mit bösartigen Tumoren in fortgeschrittenen Stadien ohne ernsthafte Heilungschancen) einer bisher an Menschen nicht erprobten und nicht zugelassenen Behandlung unterzogen hat, ohne diese zuvor ausreichend, insbesondere über die zusätzlichen Risiken dieser Behandlung, aufzuklären. Für diese Dienstleistung hat er mindestens 300.000,- Euro in Rechnung gestellt und auch erhalten, indem er hohe Heilungschancen vorgespiegelt hat.

Er hat zudem bei drei alten Patienten mit physiologisch und krankheitsbedingt reduzierter Kritikfähigkeit nicht indizierte Dialysebehandlungen durchgeführt und diese dadurch an ihrer Gesundheit geschädigt.

Überdies war der Arzt von der griechischen Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung in neun Fällen angeklagt worden.

Ein Berufsverbot von vier Jahren ist einem Arzt auferlegt worden, der überwiegend ältere weibliche Patientinnen geschädigt hat, indem er teilweise medizinisch nicht indizierte Eingriffe vornahm, wobei er in einigen Fällen die erforderliche Aufklärung unterließ. In anderen Fällen unterliefen ihm Operations- und sonstige Behandlungsfehler, die bei vier Patientinnen ursächlich für deren Versterben waren. In einigen Fällen hatte der Verurteilte ohne Wissen der Patientinnen zur Säuberung von Operationswunden und Geschwüren frisch gepressten Zitronensaft verwendet, wobei es sich um eine unerprobte, auf Nebenwirkungen und Verträglichkeit wissenschaftlich nicht untersuchte Außenseitermethode handelt. In einem Fall unternahm der Verurteilte ohne spezielle Kenntnisse auf dem Gebiet der Handchirurgie den erfolglos gebliebenen Versuch, mittels einer ungeeigneten Operationsmethode einem jungen Mann einen bei einem Arbeitsunfall teilweise abgetrennten Daumen wieder anzunähen.

11. Warum ist die Verjährung bei der Arzthaftung eine so große Gefahr?

Arzthaftungsrechtliche Angelegenheiten sind zumeist diffizil, weil der Patient dem Behandler einerseits nachweisen muss, dass er nicht ordnungsgemäß aufgeklärt oder nicht nach dem ärztlichen Facharztstandard behandelt worden ist. Andererseits muss der Patient außerdem – es sei denn, es liegt ein außergewöhnlich schwerer (grober) Behandlungsfehler vor – beweisen, dass sein Gesundheitsschaden auf dem Behandlungsfehler beruht. Das ist zum einen mühsam, zum anderen können die Recherchen lange dauern. Wenn etwas Zeit in Anspruch nimmt, droht Verjährung. Einen verjährten Anspruch kann man vor Gericht nicht durchsetzen, wenn sich der Gegner auf Verjährung beruft, was die hinter Krankenhaus und Ärzten stehenden Berufshaftpflichtversicherer naturgemäß tun.

Die Verjährung von medizinrechtlichen Schadensersatzansprüchen beginnt am Ende desjenigen Jahres zu laufen, in dem der Geschädigte von dem Schaden und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt hat. Sie läuft sodann drei Jahre. Das heißt: Weiss ein Patient irgendwann im Jahre 2019, dass und wer ihn falsch behandelt hat, wird bis zum Ende des Jahres gerechnet, sodann läuft die Verjährung 2020, 2021 und endet Silvester 2022, wenn sie nicht durch ein Gerichtsverfahren gehemmt wird.

Die Frage der Verjährung ist für jeden gerügten Behandlungsfehler einzeln zu beurteilen und zu berechnen, wie sich aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs zum Kapitalanlagerecht ergibt, das auch für die Arzthaftung einschlägig ist. Gedanklich muss man das Wort Beratungsfehler durch das Wort Behandlungsfehler ersetzen: BGH, Urteil vom 07.07.2011 – III ZR 90/10 (PDF, 80 KB).

Soweit die Frage der Kenntnis eindeutig ist, stellt sich kein Problem. Oft aber wird die genügende Kenntnis des Behandlungsfehlers oder Aufklärungsfehlers erst nach und nach offenbar. Die Folgen und die Komplikationen im Verlauf einer ärztlichen Fehlbehandlung weisen nicht stets auf ein Fehlverhalten hin. Eine ausreichende Kenntnis des Patienten von den Tatsachen, die ein derartiges Fehlverhalten nahe legen, setzt deshalb mindestens die Kenntnisse der wesentlichen Umstände des Behandlungsverlaufs, insbesondere etwaige anatomische Besonderheiten und das vom Standard abweichende ärztliche Vorgehen voraus. Der Patient muss nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) so viel wissen, dass bei zutreffender medizinischer und rechtlicher Würdigung, ohne weitere Ermittlung bisher verborgener Fakten, eine Einschätzung der Prozessaussichten möglich ist. Es kommt also für den Beginn der Verjährungsfrist nur auf die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen, nicht aber auf deren zutreffende rechtliche Würdigung an. Fehlen dem Patienten erforderliche Kenntnisse, muss er sich zwar generell sachkundig machen; nach neuerer Rechtsprechung des BGH ist aber allein die Tatsache, dass das Ergebnis der Behandlung nachteilig ist, kein hinreichender Anhaltspunkt oder Verdachtsgrund, dessen Verkennung grob fahrlässig ist. Nicht nachzufragen, ist lediglich dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die aus Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Geschädigten es unverständlich erscheinen lassen, weiter nachzuforschen. Es müssen also konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein und sich der Verdacht einer Schädigung aufdrängen.

Wenn der Geschädigte bei der gesetzlichen Krankenkasse anregt, ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) einzuholen, heißt auch das nicht zwangsläufig, dass genügende Kenntnis vorliegt, da der Sachverhalt ja gerade aufgeklärt werden soll. Etwas anderes gilt meist, sobald das Gutachten vorliegt oder auch, wenn der Geschädigte eine detaillierte Strafanzeige stellt, in der er den Behandlungsfehlervorwurf konkret formuliert.

Doch Vorsicht ist geboten! Auch deutliche Worte eines Nachbehandlers können die Verjährungsfrist in Gang setzen, wie das Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 18. Mai 2016 – 1 U 121/15 entschieden hat. In dem Fall ging es um Folgendes: Die Patientin hatte aufgrund einer Krebserkrankung das Augenlicht eines ihrer Augen verloren. Mit ihrer Klage auf Schmerzensgeld macht sie geltend, dass bei Behandlung gemäß den fachärztlichen Standards und damit entsprechenden Kontrolluntersuchungen ihre Sehfähigkeit hätte gerettet werden können. Die Klage ist in beiden Instanzen an der Einrede der Verjährung gescheitert. Die Patientin hatte zu spät Klage erhoben. Eine verjährte Forderung ist vor Gericht nicht durchsetzbar. Das Gericht führt in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus, dass an die, den Beginn der Verjährungsfrist auslösende Kenntnis des Patienten, hohe Anforderungen zu stellen sind. Die Kenntnis von einem Behandlungsfehler kann nicht schon deshalb bejaht werden, weil eine ärztliche Behandlung zu seinem schlechten Ergebnis geführt hat. Ein ungünstiges Ergebnis allein kann auf vielerlei Ursachen fußen, eine Falschbehandlung ist lediglich eine davon. Der Patient muss aus Laiensicht (er ist nun einmal kein Arzt) Kenntnis davon erlangen, dass der Arzt von dem üblichen Vorgehen (Behandlung nach den Facharztstandards) abgewichen ist oder solche Maßnahmen nicht getroffen hat. Diese Kenntnis ist erst dann vorhanden, wenn die dem Patienten zur Verfügung stehenden Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Arztes als naheliegend erscheinen zu lassen.
In diesem Fall kannte die Patientin die Umstände für die Fehlbehandlung in hinreichender Form als sie sich im Universitätsklinikum Essen im November 2010 wegen des Tumors behandeln ließ und man ihr dort sagte, man könne nicht mehr viel machen, weil sie so spät komme und der Tumor schon so groß sei. Die Patientin sagte dann, dass ihr vorbehandelnder Arzt den Tumor ja ein Jahr lang habe wachsen lassen. Daraufhin habe der Professor in Essen wörtlich gesagt: „Dem gehört in den Arsch getreten.“ Durch diese deutliche und verständliche Aussage ist der Patientin das Abweichen von den Facharztstandards hinreichend deutlich gemacht worden, da sie zusätzlich zu diesem Statement auch alle maßgebenden Fakten, das heißt, den Behandlungsablauf kannte. Der dreijährige Lauf der Verjährung, ausgelöst Ende 2010 nahm dann mit 2011 (1), 2012 (2) und 2013 (3) zum Jahresschluss 2013 sein Ende. Da Silvester 2013 Verjährung eingetreten war, konnte die im April 2015 eingereichte Klage keinen Erfolg mehr haben.

Das Gericht stellt dann noch folgende hypothetische Hilfserwägung zugunsten der Patientin an. Selbst dann, wenn im Jahre 2010 keine genügende Kenntnis der Umstände vorgelegen haben sollte, hätte die Patientin der Verlautbarung des Nachbehandlers eine so gewichtige Bedeutung beimessen müssen, dass es grob fahrlässig von ihr war, keine weiteren Nachforschungen anzustellen. Dies hätte sie nach Auffassung des Gerichts bis spätestens Ende 2011 tun müssen, aus der Sicht einer verständigen und auf ihre Interessen bedachten Patientin. Damit wäre die Verjährung zum Ende des Jahres 2014 abgelaufen, also gleichfalls vor der (verjährungshemmenden) Klageerhebung.

Diese wichtige höchstrichterliche Entscheidung beschäftigt sich mit der grobfahrlässigen Unkenntnis von Tatsachen, die den Verjährungsbeginn auslösen können: BGH, Urteil vom 10.11.2009 – VI ZR 247/08 (PDF, 104 KB). Es ist nämlich nicht nur so, dass die Kenntnis den die Verjährung in Gang setzen kann, dies vermag auch die grob fahrlässige Unkenntnis von Tatsachen.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: bei der Patientin kam es unter der Geburt infolge des Einsatzes einer Geburtszange zu einem Dammriss und einem Riss des unteren bis mittleren Vaginaldrittels. Die Patientin leidet aufgrund der Vernarbungen dauerhaft an Schmerzen. In den unteren Instanzen waren die Juristen der Auffassung, dass der Anspruch verjährt gewesen sei, weil sich die Patientin so habe behandeln lassen müssen, als habe sie bereits Seite Entbindung Kenntnis davon gehabt, dass ihre Verletzungen und Beschwerden auf behandlungsfehlerhafte Verhalten während der Geburt zurückzuführen seien. Sie habe nämlich gleich nach der Behandlung im Krankenhaus unter erheblichen Schmerzen und Beschwerden gelitten, die ihr tägliches Leben in hohem Maße beeinträchtigt und mit denen sie ständig konfrontiert gewesen sei trotz zahlreicher nachfolgender ärztlicher Untersuchungen Bemühungen habe sich keinerlei Besserung eingestellt sei offensichtlich gewesen dass diese Komplikationen nicht dem normalen Verlauf einer Geburt entsprochen hätten. Deshalb hätte es unmittelbar auf der Hand gelegen, in den Jahren nach der Entbindung einem der behandelnden Ärzte wenigstens einmal die Frage zu stellen ob möglicherweise bei der Behandlung im Krankenhaus irgend ein Fehler unterlaufen sein könnte.

Das hat der Bundesgerichtshof nicht gelten lassen. Ein Patient ist nun einmalmedizinischer Laie. Er muss nicht wissen, was die Ursache für das Ausbleiben des Heilungserfolgs oder den Eintritt einer Komplikation ist. eine Pflicht nachzufragen, hat ein Patient nur bei ganz konkreten Anhaltspunkten. Die Unkenntnis des Behandlungsfehlers kann ihm nur dann angelastet werden, wenn sie auf einen außerordentlich grobes eigenes Verschulden des Patienten zurückzuführen ist.

Der Begriff „grob fahrlässige Unkenntnis“ ist für einen Nichtjuristen gar nicht so leicht zu verstehen. Es geht darum, dass es juristisch gleichgestellt wird ob jemand positiv von einer Tatsache Kenntnis erlangt oder von ihr nicht Kenntnis erlangt, weil er die Augen verschließt vor den Tatsachen und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen. Diese Gleichsetzung ist aber nur möglich, wenn das Verschulden außerordentlich schwer ist (grob fahrlässig). Der Bundesgerichtshof sagt dazu: „Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit vorgeworfen werden können. Dabei bezieht sich die grobe Unkenntnis ebenso wie die Kenntnis auf Tatsachen, auf alle Merkmale der Anspruchsgrundlage und bei der Verschuldenshaftung auf das Vertretenmüssen des Schuldners, wobei es auf eine zutreffende rechtliche Würdigung nicht ankommt.

Unabhängig von der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis tritt die Verjährung bei Gesundheitsschäden spätestens 30 Jahre nach dem schädigenden Ereignis ein (Höchstfrist der Verjährung bei Gesundheitsschäden, § 199 Abs. 3 Satz 3 BGB). Die Höchstfrist wird nicht zum Ende des Jahres berechnet. Sie wird taggenau berechnet. Am 11.02.2019 findet eine Fehlbehandlung statt. Dann endet die Verjährung am 12.02.2049, weil der Tag des Ereignisses nicht mitzählt.

Der Lauf der Verjährungsfrist ist nicht unbedingt stringent. Wenn die Verjährung zu laufen begonnen hat, kann sie beispielsweise gehemmt sein, indem der Patient einen Antrag auf Schlichtung bei einer Schlichtungsstelle für Arzthaftungsfragen stellt. Die Bemühungen, die Streitigkeit außergerichtlich beizulegen, honoriert der Gesetzgeber damit, dass die Hemmung erst sechs Monate nach Ende oder Abbruch des Schlichtungsverfahrens endet.

So kann man aoch noch ganz am Jahresende, wenn die Zeit zu einer Klage nicht reicht, die Verjährungsfrist um sechs Monate verlängern, vollkommen legal, indem man bei der Schlichtungsstelle noch schnell einen Schlichtungsantrag einreicht. Es kommt nicht darauf an, ob der Gegner damit einverstanden ist (BGH, Urteil v. 17.01.2017 – ZR VI 239/15).

Gehemmt ist die Verjährungsfrist auch dann, wenn zwischen den Parteien Verhandlungen schweben und zwar so lange, bis die Verhandlungen von einer der beiden Seiten abgebrochen werden. Dann wirkt die Hemmung der Verjährung noch drei Monate nach.

Wenn die Verhandlungen einschlafen, was nicht selten vorkommt, kann daraus ein Abbruch der Verhandlungen erst dann hergeleitet werden, wenn der Berechtigte den Zeitpunkt versäumt, zu dem eine Antwort auf die letzte Anfrage des Ersatzpflichtigen spätestens zu erwarten gewesen wäre, falls die Regulierungsverhandlungen mit verjährungshemmender Wirkung hätten fortgesetzt werden sollen. Hierbei kommt es sehr auf den Einzelfall an. Der Bundesgerichtshof hat im Einzelfall schon Verhandlungspausen von drei bis sechs Monaten für relevant erachtet. Unbedingt ist darauf zu achten, dass eingeschlafene Verhandlungen nicht abbrechen.

Wie man sieht, ist die Verjährungsproblematik im Arzthaftungsrecht komplex und birgt einige Fallstricke. Es ist deshalb ratsam, als Geschädigter stets den Fluss der Zeit im Auge zu haben. Wenn man einen Fachanwalt für Medizinrecht beauftragt, die Verjährung im Blick zu haben, ist man auf der sicheren Seite. Außerdem haftet der Anwalt dafür, dass der Fall während des Mandats nicht verjährt.

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