Die Beweislast ist in der juristischen Praxis der Arzthaftung außergewöhnlich bedeutsam. Oft scheitert eine Partei vor Gericht selbst dann, wenn sie im Recht ist, nur aus dem Grund, dass sie ihren Anspruch nicht beweisen kann. Nach den allgemeinen Beweisregeln muss grundsätzlich derjenige, der von einem anderen etwas beansprucht, die dafür notwendigen Tatsachen vor Gericht vortragen. Das ist in einem Arzthaftungsprozess zunächst nicht anders. Allerdings gibt es einige Ausnahmen, von denen einige in § 630h BGB geregelt sind. Der allgemeine Grundsatz der Beweislast gilt zunächst auch für Schäden, die durch ärztliche Behandlungsfehler (siehe dort) entstehen. Hier muss der Patient sämtliche Voraussetzungen für die fehlerhafte Behandlung beweisen. Schwierigkeiten bereitet in der Praxis oftmals die sogenannte Kausalität (siehe dort). Der Patient muss darlegen, dass der eingetretene Schaden aufgrund der Falschbehandlung eingetreten ist: Falsche Behandlung und eingetretener Schaden müssen sozusagen miteinander verknüpft werden. Allerdings gibt es im Arzthaftungsprozess eine Besonderheit: Liegt ein besonders schwerer (grober) Behandlungsfehler (siehe dort) vor, kehrt sich die Beweislast um. Dann muss der Arzt beweisen, dass der Schaden nicht auf seinem eigenen Fehler beruht (§ 630h Abs. 5 BGB). Eine Umkehr der Beweislast tritt auch dann ein, wenn der Arzt unzureichend oder gar nicht dokumentiert hat (§ 630h Abs. 3 BGB). Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Umkehr der Beweislast schon dann zuzulassen, wenn der grobe Behandlungsfehler geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen; nahelegen oder wahrscheinlich machen muss der Fehler den Schaden dagegen nicht. Nur dann, wenn der haftungsbegründende Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist, wenn sich ein anderes Risiko verwirklicht hat, als dasjenige, dessen Nichtbeachtung den Fehler als grob erscheinen lässt oder dann, wenn den Patienten ein Mitverschulden trifft, aufgrund dessen die Beweislage nicht mehr feststellbar ist, ist eine Verlagerung der Beweislast auf den Arzt ausgeschlossen. Das Vorliegen einer Ausnahme muss der Arzt beweisen. § 630h Abs. 5 BGB statuiert die Umkehr der Beweislast folgendermaßen: „Liegt ein grober Behandlungsfehler vor und ist dieser grundsätzlich geeignet, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, wird vermutet, dass der Behandlungsfehler für diese Verletzung ursächlich war. Dies gilt auch dann, wenn es der Behandelnde unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre.“ Der zweite Satz des fünften Absatzes dieses Paragraphen meint Folgendes: Auch ein einfacher Behandlungsfehler (Befunderhebungsfehler) kann unter einer ganz besonderen Konstellation zur Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers führen: Wenn ein Arzt es unterlässt, weitere Befunde zu erheben, obwohl dies aufgrund des Beschwerdebildes nahegelegen hätte, so stellt das nur einen einfachen Behandlungsfehler dar. Wenn sich aber bei der Erhebung des fehlerhaft versäumten Befundes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so gravierendes Ergebnis gezeigt hätte, dass sich dessen Verkennung oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde. Ein Beispiel veranschaulicht diese juristische Konstruktion: Die Symptome eines Herzinfarkts werden mit denen einer Virusinfektion verwechselt. Wenn sich aber bei der gebotenen Abklärung (Elektrokardiogramm) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis gezeigt hätte und sich die Verkennung dieses Befundes als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf (Fehldeutung des EKG) als grob fehlerhaft darstellen würde, führt das zu einer Beweislastumkehr. Siehe auch: Aufklärungspflicht, Arzthaftung, Behandlungsfehler, Dokumentationspflicht, Kausalität