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Auch Reha-Klinik muss erforderliche Facharztstandards einhalten!

Übernimmt eine allgemeine Reha-Klinik die Nachbehandlung eines Transplantationspatienten, muss der erforderliche Facharztstandards sicher gestellt werden

In der Reha-Klinik wurden nur einmal Laborwerte ermittelt

Der Kläger unterzog sich im Jahre 2013 einer kombinierten Nieren- und Pankreastransplantation Pankreas = Bauchspeicheldrüse). Zur Vermeidung von Abstoßungsreaktionen war er auf die Einnahme spezieller Medikamente angewiesen. Im Jahr 2014 befand sich der Kläger in einer stationären Rehabilitationsbehandlung in einer Rehaklinik. Dort wurden am Anfang der Maßnahme ein einziges Mal die Laborwerte der Medikamente ermittelt, welche die Abstoßungsreaktionen verhindern sollten.

Laborergebnisse erst nach 14 Tagen

Dieser Laborwert kam erst nach 14 Tagen aus einem auswärtigen Labor zu der Einrichtung. Danach wurde der Wert nicht mehr ermittelt. Nach der Maßnahme ergab sich ein deutlich zu geringer Wert. Aufgrund des zu geringen Spiegels des Medikaments kam es zu Abstoßungsreaktionen. Die Bauchspeicheldrüse war nicht mehr zu retten und ist funktionslos. Die transplantierte Niere hat schwere Schäden erlitten, sodass der Kläger seit dem dialysepflichtig ist. Er leidet zudem unter einem chronischen Belastungssyndrom.

Das Gericht hat zwar die Übernahme eines transplantierten Patienten durch eine allgemeine Reha-Klinik nicht als Übernahmeverschulden gewertet; es hat jedoch entschieden, dass eine Reha-Klinik, welche die Nachbehandlung eines Transplantationspatienten übernimmt, die dafür erforderlichen Facharztstandards sicher stellen muss.

Mehrere Befunderhebungsfehler

Das Gericht wertete es als groben Befunderhebungsfehler, dass über einen Zeitraum von drei Wochen keinerlei Kontrolle des Medikamentenspiegels vorgenommen worden ist. Die Wirkung der Medikation, die ein Abstoßen der transplantierten Organe verhindern soll, muss zwingend kontrolliert werden. Das Gericht sah – sachverständig beraten – mehrere Befunderhebungsfehler.

So hätte die Klinik alsbald (spätestens nach drei Tagen) beim Labor nachhaken müssen, wie sich der Wert der ersten Blutentnahme darstellt. Als dann nach 14 Tagen der Wert eintraf, hätte es den Facharztstandards entsprochen, sofort die Blutwerte erneut bestimmen zu lassen. Das ist nicht geschehen und stellt einen weiteren Behandlungsfehler dar. Das Gericht sah diese beiden Fehler im Zusammenspiel als grob fehlerhaft an. Aus diesem Grunde kehrte sich die Beweislast um. Das Klinikum konnte nicht beweisen, dass auch bei einer den Facharztstandards entsprechenden Behandlungen es womöglich in Zukunft zu einer Abstoßung der Transplantate gekommen wäre.

Liegt ein grober Behandlungsfehler vor …

und ist dieser grundsätzlich geeignet, eine Verletzung der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, wird vermutet, dass der Behandlungsfehler für diese Verletzung ursächlich (kausal) war. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist eine Umkehr der Beweislast schon dann zuzulassen, wenn der grobe Behandlungsfehler geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen; nahe legen oder wahrscheinlich machen muss der Fehler den Schaden dagegen nicht. Nur dann, wenn der haftungspflichtsbegründende Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist, ist eine Verlagerung der Beweislast auf den Arzt ausgeschlossen. Für das Vorliegen einer Ausnahme ist die Behandlerseite beweisbelastet. Nach der Rechtsprechung ist die Beweislastumkehr ausgeschlossen, wenn ein Behandlungsfehler im hohen Maße unwahrscheinlich ist, nicht hingegen, wenn dieser unwahrscheinlich aber nicht unmöglich ist.

Der medizinische Sachverständige hatte der Erhaltung der Transplantate zwar zunächst auch bei fachgerechter Behandlung keine Chance gegeben, als medizinisches Wunder hat er eine Rettung der Transplantate jedoch nicht angesehen. Vielmehr hat er die weitere Entwicklung als spekulativ bezeichnet, so dass dem Kläger die Beweislastvorteile des groben Fehlers zugute kamen. Das Gericht hat dem Kläger das beantragte Schmerzensgeld in Höhe von 85.000 zugesprochen.

„Werden mehrere (einfache) Behandlungsfehler festgestellt, so ist immer zu überprüfen und geltend zu machen, dass diese in ihrer Gesamtschau einen groben Behandlungsfehler ergeben, weil die aus dem groben Behandlungsfehler resultierende Beweislastumkehr für den geschädigten Patienten außerordentlich günstig ist“, sagt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Lovis Wambach.

 

Das vollständige Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 23.11.2018 – 26 U 149 /17 können Sie hier als PDF (KB) herunterladen:

OLG Hamm, Urteil vom 23.11.2018 – 26 U 149 /17

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