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14,- Euro Haushaltsführungsschaden in der Stunde bei Personenschäden

Sehr hübsch ist die Mühewaltung der Haushaltsführung in dem Schlager „Das bisschen Haushalt“ kundgemacht. Man könnte meinen, dass es von einem Richter geschrieben worden ist, der Schadensersatz für Haushaltsführungsschaden nur ausnehmend sparsam verteilt, weil er sich schon zu Hause in der Haushaltsführung nicht einmischt.

Das Landgericht Oldenburg hat jetzt 14,- Euro pro Stunde für den Haushaltsführungsschaden ausgeurteilt.

Die Bedeutung der Entscheidung stellen wir Ihnen weiter unten ausführlich vor. Dort können Sie das bisher unveröffentlichte Gerichtsurteil auch downloaden.

Jetzt kommt erst einmal das Lied:

Das bisschen Haushalt macht sich von allein”
Sagt mein Mann
(…)
“Das bisschen Kochen ist doch halb so wild”
Sagt mein Mann
“Was für den Abwasch ganz genauso gilt”
Sagt mein Mann
(…)
“Das bisschen Garten, oh, wie wohl das tut”
Sagt mein Mann
“Das Rasenschneiden ist für den Kreislauf gut”
Sagt mein Mann
(…)
Er muss zur Firma geh’n, tagein tagaus
Sagt mein Mann
Die Frau Gemahlin ruht sich aus Zuhaus’
Sagt mein Mann
Dass ich auf Knien meinem Schöpfer danken kann
Wie gut ich’s habe
Sagt mein Mann.
Johanna von Koczian – Das bisschen Haushalt 1977 (Songwriter: Hans Bradtke)

Das Liedchen aus den Siebzigern ist recht lustig und trifft das Problem auf den Punkt. Man muss anscheinend darauf hinweisen, dass es sich um Ironie handelt, weil viele Internetbenutzer das Lied ernst nehmen und entsprechend kommentieren.

Übernahme der Haushaltsführungskosten bei Behandlungsfehler oder Verkehrsunfall

Wenn eine Hausfrau, aber natürlich heutzutage auch ein Hausmann oder Ehemann Opfer eines Behandlungsfehlers oder Verkehrsunfalls wird, dann muss die Versicherung nicht nur Schmerzensgeld, sondern auch die Kosten der Haushaltsführung übernehmen, sofern diese eingeschränkt ist. Kochen, Waschen, Bügeln, Putzen, die Betreuung von Tieren und auch die Organisation des Haushalts selbst.

Zunächst Schadensumfang berechnen!

Zunächst ist der Umfang des Schadens zu ermitteln. Man muss herausfinden, welche Anzahl von Stunden verletzungsbedingt entfallen, sodass beispielsweise der Ehepartner diese Tätigkeiten übernehmen muss, wenn er aus der Firma kommt. Dann muss er das „bisschen“ Haushalt mit erledigen. Und das ist dann nicht einmal sein Schaden, sondern der Schaden des verletzten Ehepartners (§ 843 BGB). Dafür wird der Mann nach drei Tagen auf Knien danken, wie es in dem Lied heißt.

Berechnungsbeispiel anfallende Stunden für den Haushalt

Jetzt folgt ein konkretes Berechnungsbeispiel, welches das Problem vom Zeitpunkt einer schweren Verletzung bis zum statistischen Tod verdeutlicht und aufzeigt, wie sich der Haushaltsführungsschaden lebenslang aufsummiert:
eine deutsche Großfamilie (4-Personen-Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 18 Jahren) wendet statistisch (nach den in Fachbüchern abgedruckten Tabellen)

  • insgesamt im Monat 272 Stunden für den Haushalt auf.
  • Auf den Mann entfallen dabei 98 Stunden,
  • auf die Frau 174 Stunden.

So ist das statistisch. Die Frau arbeitet auch heute noch ein kleines bisschen mehr im Haushalt als der Mann, nämlich 77,55 Prozent. Erleidet die Frau den Verlust eines Arms, etwa durch Ärztepfusch oder einen Verkehrsunfall, so sagen die Tabellen, dass damit eine Minderung der Haushaltsführung in Höhe von 60 Prozent eintritt. Das sind statistische Erfahrungswerte. Es kommt natürlich im Einzelfall auch darauf an, welcher Arm amputiert werden musste, da für einen Rechtshänder der rechte Arm viel wichtiger ist, als der linke – und andersherum bei Linkshändern. Aber nehmen wir die allgemeine Statistik hin, dann wären es im Monat etwa 104 Stunden, die der Frau nach dem Schadensereignis im Jahr 2020 ersetzt werden müssen.

Und was ist eine Stunde im Haushalt wert? 8,- Euro? 10,- Euro?

Sodann stellt sich die Frage, wie viel für eine Stunde im Haushalt bezahlt werden muss. Die Rechtsprechung vertritt dazu ganz unterschiedliche Auffassungen. Das Oberlandesgericht Celle ist der Auffassung, dass dieser Schaden mit acht Euro zu berechnen ist. Es gibt Gerichte, die zehn Euro in der Stunde zugrunde legen. Auch für diesen Stundenlohn wird es sehr schwer, jemanden zu finden, der diese Tätigkeiten erledigt.

Beim Landgericht Oldenburg 14,- Euro/ Stunde!

Das Landgericht Oldenburg hat jetzt mit seinem unveröffentlichten Urteil vom 5.11.2019 (6 O 217/17) einen Stundensatz von 14,- € für angemessen erachtet. Das ist innerhalb der deutschen Rechtsprechung außerordentlich hoch. Es sind 75 Prozent mehr, als das OLG Celle in ständiger Rechtsprechung seit Jahren zuspricht.

Die zuständige Richterin des Landgerichts Oldenburg begründet das jedoch absolut nachvollziehbar. Sie sagt, dass der bei einem Verkehrsunfall im Jahr 2016 verletzten Frau ein Nettostundenlohn von 14,- € ersetzt werden muss. Die Richterin sagt auf Seite 23 ihres Urteils, dass sie selber seit etwa zehn Jahren Haushaltshilfen beschäftige. Diese seien teilweise Studenten gewesen, die sie als Mini-Jobber angemeldet habe; teilweise seien es Putzkräfte von verschiedenen Putzfirmen gewesen. Der Nettolohn von anfangs acht Euro sei mittlerweile auf deutlich über 14,- € angestiegen. Deshalb könne sie aus eigener Sachkunde sagen, dass im Raum Oldenburg und umzu für das Jahr 2016 14,- € ein angemessener Stundenlohn gewesen seien. Die Ausführungen lassen erkennen, dass das Gericht schon 2016 den Lohn von 14,- € für überholt angesehen hat, da es ausgeführt hat, dass der Lohn deutlich über 14,- € geklettert sei.

Beispielrechnung mit jetzt 15,- Euro/ Stunde (Indexanpassung auf 2020)

Kommen wir zurück zu unserem Beispielsfall mit der Frau, die ihren Arm verloren hat und 104 Stunden im Monat nicht mehr arbeiten kann.

Rechnet man deshalb im Jahr 2020 mit 15,- €, so ergibt sich ein

  • monatlicher Haushaltsführungsschaden von 1.560,- €. Das ist nicht wenig. Im Jahr sind es 18.720,- €.

Die wahre Dimension des Haushaltsführungsschadens bei Dauerschäden ergibt sich aber aus folgender Berechnung

Der Verlust eines Armes ist ein Dauerschaden. Deshalb wird der Frau für den Rest ihres Lebens dieser Schaden verbleiben. Nehmen wir an, dass sie in jungen Jahren verletzt worden ist, beispielsweise mit 35 Jahren. Dann wird der Haushaltsführungsschaden für das ganze Leben berechnet. Frühere Rechtsprechung, dass statistisch ein Haushalt mit 75 Jahren nicht mehr selbst geführt wird, ist überholt. Die Zahl der älteren Menschen, die noch bis ins hohe und höchste Alter ihren Haushalt selber führen wird immer größer, sagen die Gerichte. Nach der Sterbetabelle, also statistisch, hat eine 35-jährige Frau noch 49 Jahre zu leben.

Es muss berücksichtigt werden, dass sich der Zuschnitt des Haushalts noch ändern wird. Die Kinder werden ausziehen. Berechnet man zehn Jahre, bis die Kinder ausziehen und die Mutter noch jahrelang deren Wäsche waschen muss, ohne dass dies auch nur mit einem Euro von der Rechtsprechung berücksichtigt wird, dann ergeben sich bis zum 45. Lebensjahr im Jahr 2030 187.200,- €. Weitere 22 Jahre bis zum gesetzlichen Renteneintritt im Jahr 2052 lebt sie mit ihrem Mann in einem kleineren 2-Personen-Haushalt. Nach der Tabelle arbeitet sie dort 112 Stunden. 60 Prozent davon sind 67 Stunden. Dann müssen wir allerdings davon ausgehen, dass sich der Stundensatz für die Haushaltsführung erhöht hat. Berechnet mit 20,- €. Im Monat ergeben sich 1.340,- €, im Jahr 16.080,- € und für 22 Jahre 353.760,- €. Die Frau ist jetzt 67 Jahre alt und in der Rente. Sie hat mehr Zeit für den Haushalt die Tabelle sagt 129 Stunden. 60 Prozent davon sind 77 Stunden. Mittlerweile werden für Haushaltstätigkeiten 25,- € gezahlt. Dann ergibt sich ein monatlicher Schaden von 1.925 €, jährlich sind es 23.100 €. Eine 67-jährige hat nach der heutigen Statistik, wenn sie dieses Alter erreicht hat noch 20 Jahre zu leben. Das ergibt einen Schaden von 462.000 € bis zum statistischen Tod im Jahr 2072.

Insgesamt ergeben sich also:

  • 187.200,- € + 353.760,- € + 462.000,- € = 1.002.960,- € lebenslang für das bisschen Haushalt.

„Für Schwerverletzte kann der Haushaltführungsschaden einer – oder sogar der gößte – Schadensposten sein“, sagt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Rouven Walter, umso bedenklicher ist es, dass nicht auf Personenschadensrecht spezialisierte Rechtsanwälte diesen Schadensposten oft vollkommen vergessen.“

Das vollständige Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 5.11.2019 – 6 O 217/17 können Sie hier als PDF herunterladen:

Landgericht Oldenburg vom 5.11.2019 – 6 O 217/17

 

Einen Überblick zum Haushaltsführungsschaden finden Sie in unserem Erklärvideo:

Haushaltsführungsschaden oft höher als Schmerzensgeld

In unseren anderen Videos erklären wir:

  • Den Ablauf einer außergerichtlichen Vertretung in einem Personenschadensfall:
    • Hohes Schmerzensgeld bekommen – aber wie?
  • Die Grundlagen der Schmerzensgeldbemessung:
    • Schmerzensgeld – wie viel erhalte ich?
  • Die Grundlagen der Berechnung des Verdienstausfalls:
    • Erwerbsschaden – richtig berechnen!
  • Wann ein Anwaltswechsel in Betracht kommt:
    • Anwaltswechsel – es lohnt sich!

Alle Erklärvideos zum Thema Schadensersatz und Schmerzensgeld finden Sie hier.

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