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Krebsrezidiv aufgrund Arztverschuldens

Krebsrezidiv aufgrund Arztverschuldens

Der Kläger befand sich in langjähriger Behandlung bei seiner Hausärztin, der Beklagten. Er stellte sich bei dieser mit Schmerzen in Bein und Fuß vor. Die Beklagte überwies ihn in fachärztliche Behandlung. In der Folgezeit musste er notfallmäßig in ein Krankenhaus aufgenommen werden, da die Schmerzen überhandnahmen. Im Krankenhaus wurde eine Magnetresonanztomografie (MRT) angefertigt. Hier war ein Geschwulst in der Kniekehle zu sehen. Das Geschwulst wurde entnommen und histologisch untersucht. Das Ergebnis wurde der Fachärztin und der Hausärztin per Arztbrief übersandt. Aufgrund eines Nervenscheidentumors empfehlen die Krankenhausärzte, ein onkologisches Spezialzentrum (eine auf Krebsbehandlungen spezialisierte Klinik) aufzusuchen. Von diesem Brief erlangte der Kläger niemals Kenntnis.

Erst fast zwei Jahre später, als er die Beklagte wegen einer Handverletzung aufsuchte, kam das Gespräch auf die Bösartigkeit der Geschwulst. Der Kläger wurde dann in einem Universitätsklinikum weiter behandelt. Es hatte sich ein Rezidiv gebildet, weshalb weitere Operationen stationärer Aufenthalte notwendig waren. Daraufhin machte der Kläger gegen die Beklagte Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche geltend. Das Landgericht Mönchengladbach gab ihm teilweise recht; das Oberlandesgericht Düsseldorf wies die Klage in vollem Umfang ab, überwiegend mit der Begründung, dass die Beklagte am Behandlungsgeschehen nicht mehr beteiligt gewesen sei, da sich der Kläger mittlerweile in fachärztliche Behandlung befunden habe. Selbst dann, wenn man einen (einfachen) Behandlungsfehler zugunsten des Patienten unterstellen würde, dann habe der Patient nicht den Beweis geführt, dass seine Gesundheitsschäden auf der nicht rechtzeitigen Behandlung des Tumors beruhten (Kausalität).

Das ließ der Bundesgerichtshof nicht gelten. Er stellte klar, dass die Hausärztin eine aus dem Behandlungsvertrag nachwirkenden Schutz- und Fürsorgepflicht getroffen habe. Diese habe sie verletzt, indem sie ihren Patienten nicht über die Diagnose eines bösartigen Tumors und die Diagnoseempfehlungen des Klinikums unterrichtet habe. Wenn ein Arzt einen Arztbrief erhält, der für die Beratung und Weiterbehandlung des Patienten neue bedeutsame Untersuchungsergebnisse enthält, habe er dafür zu sorgen, dass der Patient diesen Sachverhalt und seine Konsequenzen mitgeteilt bekommen; zur Not muss er den Patienten kurzfristig einbestellen.

Es ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ein schwerer ärztlicher Fehler wenn der Arzt seinem Patienten nicht über einen bedrohlichen Befund aufklärt, insbesondere wenn dieser Anlass zu umgehenden und umfassenden ärztlichen Maßnahmen gibt. Der Bundesgerichtshof sah Anhaltspunkte dafür, dass dieser schwere Fehler auch ein grober Fehler sein könnte. Das soll das Oberlandesgericht nun in einer neuen Verhandlung klären. Liegt ein grober ärztlicher Behandlungsfehler vor, führt dies zu einer umfassenden Umkehr der Beweislast zugunsten des Patienten. Damit könnte auch die vom Oberlandesgericht Düsseldorf angenommene fehlende Kausalität nicht mehr aufrechterhalten werden. Dann müsste nämlich die beklagte Ärztin nachweisen, dass sich der Gesundheitsschaden des Patienten auch bei frühzeitiger Entdeckung des Tumors genauso oder ähnlich entwickelt hätte.

„Wenn das Oberlandesgericht Düsseldorf zu der Einschätzung kommt, dass ein grober Behandlungsfehler vorliegt, so wird die Ärztin verurteilt werden. Es ist nicht ersichtlich, wie sie den Beweis dafür führen will, dass der ehemalige Patient den gleichen gesundheitlichen Schaden davongetragen hätte, wenn der Tumor zwei Jahre früher behandelt worden wäre. Die Ärztin wird nicht beweisen können, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keinem anderen Verlauf der Krankheit gekommen wäre, wenn der Patient unverzüglich eine auf Krebsbehandlungen spezialisierte Klinik aufgesucht hätte“, sagt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Lovis Wambach.

Das vollständige Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.06.18 – VI ZR 285/17 können Sie hier als PDF (134 KB) herunterladen:

BGH, Urteil vom 26.06.18 – VI ZR 285/17

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