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Lunge

Organ
Die menschlichen Lungen, als typische Säugetierlungen, bestehen aus einer rechten Lunge und einer linken Lunge. Jeder Lungenflügel wird durch Furchen in so genannte Lungenlappen unterteilt. Der rechte Lungenflügel teilt sich dabei in drei, der linke Lungenflügel in lediglich zwei Lappen auf. Die Lungenlappen wiederum werden in Lungensegmente unterteilt. Der Luft leitende Teil des Bronchialsystems ist für den Transport der ein- und ausgeatmeten Luft verantwortlich. Der Lungenkreislauf fördert das Blut vom Herzen zur Lunge und wieder zurück. In der Lunge erfolgt der Gasaustausch (über die Lungenbläschen): Das Blut gibt Kohlenstoffdioxid (CO2) ab und nimmt Sauerstoff (O2) auf (durch Diffusion). Das nun sauerstoffreiche Blut fließt über mehrere Lungenvenen wieder zurück zum Herzen zum linken Vorhof.

Behandlungsfehler
Hinsichtlich der Lunge kommen insbesondere Diagnose– und Befunderhebungs­fehler als Behandlungsfehler in Betracht. Ein Diagnosefehler ist in der Fehlinterpretation von erhobenen oder sonst vorliegenden Befunden (etwa des bildgebenden Materials) zu sehen. Die Unterlassung einer weitergehenden Befunderhebung ist dagegen als ein Behandlungsfehler (Befunderhebungsfehler, s.u.) zu werten. Die Rechtsprechung ist in der Annahme eines Diagnosefehlers zurückhaltender als im übrigen Therapiesektor, da die Diagnose die schwierigste der ärztlichen Aufgaben ist. Die Symptome einer Erkrankung sind nämlich nicht immer eindeutig, sondern können auf die verschiedensten Ursachen hinweisen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der vielfachen technischen Hilfsmittel, die zur Gewinnung von Untersuchungsergebnissen einzusetzen sind. Auch kann jeder Patient wegen der Unterschiedlichkeiten des menschlichen Organismus die Anzeichen ein und derselben Krankheit in anderer Ausprägung aufweisen.

Vom Diagnosefehler zu unterscheiden ist der Befunderhebungsfehler. Wird eine erforderliche Befunderhebung nicht durchgeführt, können sich aus dem entsprechenden Behandlungsfehler für den Patienten Beweiserleichterungen ergeben, § 630h Abs. 5 Satz 1 BGB. Für die Umkehr der Beweislast gilt bei Befunderhebungsfehlern Folgendes: Eswird vermutet, dass der Behandlungsfehler für diese Verletzung ursächlich war, wenn es der Behandelnde unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre. Auch ein einfacher Behandlungsfehler (Befunderhebungsfehler) kann unter einer ganz besonderen Konstellation zur Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers führen: Wenn ein Arzt es unterlässt, weitere Befunde zu erheben, obwohl dies aufgrund des Beschwerdebildes nahegelegen hätte, so stellt das zunächst nur einen einfachen Behandlungsfehler dar. Wenn sich aber bei der Erhebung des fehlerhaft versäumten Befundes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so gravierendes Ergebnis gezeigt hätte, dass sich dessen Verkennung oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde. Ein Beispiel veranschaulicht diese juristische Konstruktion: Die Symptome einer Lungenembolie werden verkannt, indem nach unmittelbar zuvor erfolgter Operation an der Wirbelsäule (Bandscheibenvorfall) der über Kurzatmigkeit bei leichter körperlicher Belastung (Gehen über den Stationsflur) bzw. bereits schon beim Sprechen, leicht erhöhter Temperatur und blutig eingefärbtem Hustensekret klagende Patient nicht weiter untersucht wird. Wenn sich aber bei der gebotenen Abklärung (Ausschlussdiagnostik in Form einer Kompressions- /Duplexsonographie der Beinvenen oder aber einer CT-Untersuchung der Lunge) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis gezeigt hätte und sich die Verkennung dieses Befundes als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf (Fehldeutung des Sonographie oder des CT) als grob fehlerhaft darstellen würde, führt das zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Patienten.

Schmerzensgeld

  • 230.000,- Euro
    • für einen Säugling, der durch einen Geburtsschaden durch die Lähmung des Zwerchfells und den Ausfall eines Lungenflügels zu einem Dauerpflegefall geworden ist. Das Gericht hat bei der Bemessung des Schmerzensgeldes die Bemessungskriterien zutreffend aufgestellt und bewertet: Hinsichtlich Art und Ausmaß der Leiden ist insbesondere auf die Zwerchfelllähmung und den Ausfall einer Lungenhälfte abzustellen, die eine maschinelle Beatmung und eine künstliche Ernährung erfordern. Dies hat bereits zu Verwachsungen im Kehlkopfbereich geführt, zu Hospitalisierungserscheinungen (Hospitalismus = die negativen körperlichen und psychischen Begleitfolgen eines Krankenhaus- oder Heimaufenthalts oder einer Inhaftierung) mit Selbstverletzungscharakter und zu einer Vergrößerung des Herzmuskels. Das Kind ist Rund-um-die-Uhr pflege- und betreuungsbedürftig. Es kann seine Magensäure nicht auf natürliche Art regulieren, erbricht alle zwei bis drei Stunden und muss permanent abgesaugt werden. Es ist damit schwerstpflegebedürftig und zu einem normalen Leben selbst im Hinblick auf elementarste Bedürfnisse (essen, soziale Kontakte) nicht in der Lage. Ein solches Krankheits- und Beschwerdebild, wenn es nicht nur als vorübergehender Zustand anzusehen ist, rechtfertigt auch unter Berücksichtigung vergleichbarer Fälle ein

Schmerzensgeld

    •  in der Größenordnung von 200.000.- € und mehr. (die 200.000 Euro des Jahres 2006 entsprechen unter Berücksichtigung der Geldentwertung – sogenannte Indexanpassung – im Jahr 2016 dem Wert von 230.500,- Euro). Angesichts dieser extremen Verletzungsdauerfolgen ist das

Schmerzensgeld

    •  aber deutlich zu gering bemessen worden! Es drängt sich der Verdacht auf, dass dies daran gelegen haben mag, dass dieser Prozess im Wege der Prozesskostenhilfe geführt worden ist. In solchen Verfahren zeigen sich die Gerichte oftmals zurückhaltender. In diesem Fall wäre aber durchaus das Doppelte des Schmerzensgeldanspruchs zu rechtfertigen gewesen. Das Gericht hat sich auf den Euro genau auf den geltend gemachten Mindestbetrag beschränkt. Das verwundert, weil es in seiner Begründung (s.o.) eine Größenordnung von 200.000,- Euro „

und mehr

    • “ erwogen hat. Es hätte den Antrag auf

Schmerzensgeld

    •  allerdings auch von sich aus erheblich überschreiten dürfen. Leider muss auch gesagt werden, dass die Eltern ihre Mindestvorstellungen in ihrem bei Gericht gestellten Antrag zu gering zum Ausdruck gebracht haben. Dadurch haben sie vermutlich den Betrag in den Vorstellungen des Gerichts manifestiert. Die Ausführungen des Gerichts sind in einem anderen Punkt sehr interessant und auch zutreffend. Die Gegenseite ist dem Schmerzensgeldanspruch damit entgegengetreten, dass der Zustand des Opfers vielleicht nicht von Dauer sein, sich in der Zukunft bessern könnte. Das Gericht hat diesen Einwand abgelehnt. Es ist von einem dauerhaften Zustand ausgegangen. Da die Ursache der Zwerchfelllähmung in der Verletzung (Abriss) des

nervus

    •  phrenicus liegt, dürfte ohne weiteres von der medizinischen Unmöglichkeit auszugehen sein, dies wieder zu reparieren. Eine solche Annahme erscheint dem Senat auf Grund der in zahlreichen Geburtsschadenprozessen gewonnenen Erkenntnisse als realistisch. Gleiches dürfte für die Annahme gelten, dass die funktionslose Lunge nicht wieder zu reanimieren sein wird. Ob ein Schaden als dauerhaft anzusehen ist oder nicht, bemisst sich nach den medizinischen Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob Fortschritte der Medizin oder glückliche Fügungen des Schicksals nach menschlichen Erkenntnissen gänzlich auszuschließen sind. Es ist auch nicht von Bedeutung, dass neue medizinische Entwicklungen im betreffenden Gebiet mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit im Laufe der kommenden Jahre und Jahrzehnte zu erwarten sind.

Auf derart vage Hoffnungen muss sich ein Geschädigter nicht verweisen lassen.

    •  Zugrunde zu legen ist vielmehr ein aus objektiver medizinischer Sicht normaler Verlauf der Krankheit auf Grund des heutigen Erkenntnisstandes. Ist danach von einer Wiederherstellung üblicherweise auszugehen, liegt kein

Dauerschaden

    •  vor, ansonsten schon. Danach ist auch hier von einem

Dauerschaden

    •  auszugehen.
  • 202.000,- Euro
    • für Lungenverlust des rechten Lungenflügels mit langwieriger Heilbehandlung mit über 400tägigem stationärem Aufenthalt und künstlichem

Koma

    • . Die Haftung fußte auf der Explosion des Lasergerätes während einer Luftröhrenbehandlung. Als Dauerschäden bleiben bestehen: Pfeiftonhören (

Tinnitus

    • ), häufige Krampfanfälle, Schwindel, Atembeschwerden und psychische Beeinträchtigungen, etwa dem Verlust der Lebensfreude.
  • 170.000,- Euro
    • für Lungenverlust (Entfernung der linken Lunge) bei einer 23 Jahre alten Frau (Studentin) aufgrund eines Behandlungsfehlers, nämlich der Verkennung einer

Tuberkulose

    • , die bei Behandlung nach den medizinischen Facharztstandards folgenlos ausgeheilt wäre. Als

Dauerschaden

    • verbleiben: Belastungsminderung, kein Sport, Lebensverkürzung wegen künftiger Ausbildung eines sog.

cor

    •  pulmonale (lat.: „Lungenherz“, dies bezeichnet ein druckbelastetes rechtes Herz [Herzkammer] infolge einer Drucksteigerung im Lungenkreislauf).
  • 27.500,- Euro
    •  für eine Heilbehandlungsverzögerung bei Lungenkrebs infolge eines Befunderhebungsfehlers oder Diagnosefehlers (s.u.). Den Befund hatte allerdings nicht ein Radiologe ausgewertet, sondern ein Anästhesist zur Vorbereitung auf eine Operation – und zwar nur zu diesem Zweck. Das Gericht hat die

Revision

    •  wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen. Die hier zu entscheidende Frage „inwieweit der Anästhesist die Verpflichtung hat, zur Vorbereitung der Narkose getätigte Röntgenaufnahmen auch auf das Vorliegen etwaiger ‚Zufallsfunde‘ zu befunden, auch wenn diese für die Durchführung der Narkose ohne Bedeutung sind und die Anfertigung der Röntgenaufnahme medizinisch nicht erforderlich war, ist für eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle von Bedeutung; höchstrichterliche Rechtsprechung liegt hierzu – soweit ersichtlich – noch nicht vor. Die Patientin verstarb zwei Jahre und sieben Monate nach Durchführung der Lungenresektion. Sie lebte bis zu ihrem Tode mit dem Gedanken, dass die Ausbreitung bei einer früheren Erkennung und entsprechender Behandlung gegebenenfalls hätte verhindert werden können. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat das Oberlandesgericht berücksichtigt, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen auch bei einer rechtzeitigen Erkennung des Lungenkarzinoms die dann später vorgenommene Operation mit Teilresektion des Lungenflügels mit den damit verbundenen Schmerzen und Folgeerscheinungen notwendig geworden wäre. Ausgeprägte Luftnot und Schmerzen im Operationsbereich sowie die geschilderten Einschränkungen in der Lebensqualität und der Lebensführung wären daher auch in diesem Falle eingetreten. Diese Punkte haben sich

Schmerzensgeld

    •  mindernd ausgewirkt; erhöhend hat sich folgender Punkt zu Buche geschlagen: Es stand nicht fest, dass auch bei rechtzeitiger Entdeckung des Lungenkrebses bereits eine Bestrahlung und eine nachfolgende

Chemotherapie

    •  erforderlich gewesen wären. Auch wären bei einer rechtzeitigen Behandlung die Angst vor einem erneuten

Rezidiv

    •  und die damit verbundenen psychischen Belastungen bei der Patientin vorhanden gewesen. Andererseits musste die Patientin bis zu ihrem Tode mit dem Gedanken leben, dass die Ausbreitung der Krankheit möglicherweise bei einer früheren Erkennung und entsprechender Behandlung hätte verhindert werden können. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dieses Urteil im Revisionsverfahren verworfen und an das OLG zur weiteren Klärung des Sachverhalts zurück verwiesen. Er hat im Revisionsverfahren einen Befunderhebungsfehler verneint und stattdessen einen Diagnosefehler angenommen. Ein Diagnosefehler ist aber privilegiert (s.o. unter

Behandlungsfehler

    • ). Der BGH hat das noch einmal bekräftigt und ausgeführt: „Ein Fehler bei der Interpretation der erhobenen Befunde stellt allerdings nur dann einen schweren Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst und damit einen „groben“ Diagnosefehler dar, wenn es sich um einen fundamentalen Irrtum handelt. Wegen der bei Stellung einer

Diagnose

     nicht seltenen Unsicherheiten muss die Schwelle, von der ab ein Diagnoseirrtum als schwerer Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst zu beurteilen ist, der dann zu einer Belastung der Behandlungsseite mit dem Risiko der Unaufklärbarkeit des weiteren Ursachenverlaufs führen kann, hoch angesetzt werden.“

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