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Haftungsquote aus Gefährdungshaftung bei einem Unfall unter Beteiligung eines PKW und eines Pferdes

In diesem aktuellen Urteil des OLG Celle geht es um die Haftungsquote aus Gefährdungshaftung bei einem Unfall unter Beteiligung eines PKW (Betriebsgefahr) und eines Pferdes (Tierhaftung), bei dem keinen der beiden Beteiligten ein Verschulden nachweisbar war

Die Verletzte war die Reiterin, die von Ihrem Pferd zu Boden gerissen und sehr schwer verletzt wurde, weil das Pferd vor einem herannahenden Fahrzeug scheute und sie mit einem Huftritt sehr schwer verletzte.
Die Reiterin erlitt einen Schädelbasisbruch, ein offenes Schädel-Hirn-Trauma, eine Mittelgesichtsfraktur, eine beidseitige Zerstörung der Augenhöhlen sowie eine vollständige Zerstörung des Oberkiefers, Trümmerfrakturen der Kieferhöhlenwände, eine Fraktur des Unterkiefers und des linken Kiefergelenks, eine mehrfache Fraktur des Jochbeins, Riss- und Quetschwunden im Gesicht, eine Trümmerfraktur des linken Ellenbogens sowie den Verlust von neun Frontzähnen. Die Reiterin musste deswegen mehrfach operiert werden. Sie beklagt physische und psychische Dauerfolgen mit Auswirkungen auf ihre Berufstätigkeit (Erwerbsschaden) und ihre Haushaltsführung (Haushaltsführungsschaden).

„Der Knackpunkt des Fall ist, dass nach der durch das Gericht möglichen Aufklärung des Falls keinen der beiden Beteiligten ein Verschulden nachweisbar war“, sagt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Rouven Walter.

Die Pferdeführerin hatte richtig reagiert. Dass der Autofahrer zu schnell oder falsch gefahren wäre, ließ sich nicht nachweisen.
Das führt juristisch zu folgendem Konstrukt:
Sowohl von einem Auto, als auch von einem Pferd geht eine verschuldesunabhängige Gefährdungshaftung (Betriebsgefahr, Tiergefahr) aus. Also: Die bloße Existenz eines PKW oder Reitpferdes ist gefährlich. Ein Auto ist ein Metallgeschoß von durchschnittlich einer Tonne Gewicht, das auch dann, wenn es nicht einmal richtig schnell fährt, große Schäden anrichten kann, ganz unabhängig von dem Fahrzeugführer, der es bedient. Deshalb gibt es die Betriebsgefahr.
Das gleiche gilt für den Vorläufer des Autos, das Pferd. Pferde sind dem Menschen an Körperkraft, Gewicht und Schnelligkeit erheblich überlegen. Wenn sie durchgehen, sind sie kaum zu kontrollieren. Dann sind schwerste bis tödliche Verletzungen vorprogrammiert. Deswegen gibt es auch für das Pferd eine entsprechende Tiergefahr, für die der Halter des Pferdes einstehen muss. Im vorliegenden Fall wirkt die Tiergefahr also gegen die Reiterin selbst, die als „Halterin“ ihres Pferdes von ihrem eigenen Pferd verletzt worden ist.
In dem vom OLG Celle zu entscheidenden Fall standen sich also die Gefährdungshaftungen aus Tiergefahr und auch Betriebsgefahr gegenüber. Das Gericht hat eine Haftungsquote von 50 zu 50 Prozent angenommen.
Bei dieser Abwägung hat das Gericht berücksichtigt, dass sich das einem Pferd wesensimmanent anhaftende Gefahrenpotential (das unberechenbare Verhalten eines Fluchttiers) und die damit verbundenen weitaus geringeren Möglichkeiten, auf es steuernd einzuwirken, ausgewirkt hat. Demgegenüber steht die besondere Gefährlichkeit eines Kraftfahrzeugs, die sich aus seiner Masse, seiner technischen Einrichtungen und seiner Geschwindigkeit zusammensetzt und das Scheuen des Pferdes verursacht hat. Beide Verursachungsbeiträge wiegen nach Auffassung des Gerichts etwa gleich schwer. Motorbetriebene Kraftfahrzeuge sind typischerweise geeignet, geräuschempfindliche Tiere, wie Pferde, die zudem besonders auf Bewegungen in ihrem Umfeld reagieren, zu erschrecken, vor allem, wenn diese Gefährte auf sie zukommen. Umgekehrt sind auch Pferde, die an Straßenverkehr gewöhnt sind, nicht davor gefeit, ausnahmsweise schreckhaft auf Motoren- und Fahrgeräusche zu reagieren, insbesondere dann, wenn etwas geschieht, was sie nicht erwarten. Diese Gefährdungstatbestände stehen sich nach Ansicht des Gerichts in etwa gleichgewichtig gegenüber, sodass eine Haftungsquote von 50% zu 50% für materielle Schäden bzw. die Berücksichtigung eines 50%-igen Mithaftungsanteils der Klägerin für deren immateriellen Schaden (Schmerzensgeld) geboten ist.

Die Höhe des hälftigen Schadens muss die erste Instanz, das Landgericht Hannover, klären, an das das Oberlandesgericht den Rechtsstreit zurückverwiesen hat.

Das komplette Urteil können Sie hier als PDF herunterladen:

OLG Celle, Urteil vom 20.01.2016 – 14 U 128/13 (PDF 260 KB)

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